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Ein delikater Ausflug

 
     
 
Es war schon fast zur Tradition geworden, daß Baron von Blonkenschön die Honoratioren der kleinen Stadt Wilweiten jedes Jahr zur Jagd einlud. Die Verbindung war über den Apotheker entstanden. Es war eine Jugendbekanntschaft, die jedes Jahr erneuert wurde. Hierbei konnten die Männer einmal völlig unter sich sein, derbe Späße machen und Rotspon trinken bis der Morgen graute. Apotheker Molt und seine fünf Begleiter freuten sich wie große Jungen auf diese nicht alltägliche Abwechslung. In diesem Jahr hatten sie sich nun noch etwas ganz Besonderes vorgenommen, das aber ein Geheimnis bleiben mußte. Denn dieses Mal war der Jagdausflug ein wenig delikat.

Beim Kofferpacken bestanden die Herren darauf, daß noch ein bis zwei Hemden mehr eingepackt werden müßten, man könnte ja nicht wissen, ein Schmandfleck, ein Soßenspritzer, schlicht gesagt, man könnte sich mal bekleckern. Zwei weitere, fast etwas luchterne Krawatten wurden zum Schluß wie rein zufällig
in den Koffer bugsiert. Die Brieftasche bekam eine gehörige Sonderzuwendung, für die schon lange unauffällig vorgesorgt worden war. Sie hatten sich, aus einer Bierlaune heraus, entschlossen, nicht nur zu jagen, sondern auch Berlin einen Besuch abzustatten und erhofften sich so ein paar vergnügte Tage mehr, dazu Gespräche über Politik und Wirtschaft, aber auch Geschäfte. Alles war vorbereitet, nun konnte nicht mehr viel schiefgehen. Das heißt, sie mußten ihren Frauen noch besondere Aufmerksamkeit und Liebe entgegenbringen. - Wie ihr Geheimnis letztendlich doch ans Tageslicht kam, bleibt bis heute ein Rätsel. Die Ehefrauen aber schwiegen ebenso wie die unternehmungslustigen Männer.

Als die Herren schließlich zur "Jagd" abgereist waren, genossen die Damen das Alleinsein. Sie waren ja auch keine Kinder von Traurigkeit. Im "Café Saprautzki", dem seiner Torten wegen hochgelobten und einzigen Kaffee- und Teehaus des Städtchens, saßen sie beisammen und schmiedeten Pläne. Braungolden schimmerte noch der Rest des herrlichen Getränks in ihren Tassen, auf den kleinen Kristalltellern lagen kaum Krümel.

Frau Sanitätsratsgattin Sieber rief nach der zierlichen Bedienung Lisette, hübsch anzusehen im schwarzen Kleidchen mit weißer Schürze und Spitzenhäubchen. Diese knick-ste, räumte nach der Frage nach weiteren Wünschen den Tisch ab und servierte flink und behende eine Karaffe mit rotgoldener Flüssigkeit auf einem Spiegeltablett. Ohne die kleinen Prünellchen und Likörchen wären diese Kaffeestunden undenkbar und unvollkommen gewesen. Golden funkelte es in den Gläsern, und alle stießen vergnügt an. "Auf unsere Gesundheit und die unserer Männer."

Sie bedauerten in gesetzten Worten, mit ernsten Mienen und lachenden Augen die Abwesenheit ihrer Ehegatten, um, wie sie leise sagten, auch mal das zu tun, was sonst nicht immer erlaubt war. Sie nippten dann an ihren Gläschen, etwas mokant lächelnd, ohne daß es frivol wirkte. "Ein köstliches Getränk", murmelte die junge Frau des Bürgermeisters Mielkeim in ihr Glas hinein, und "fast zum Huckenbleiben" meinte die Leiterin des Damenstiftes. Wie sie betonte, trank sie sonst gar keinen Alkohol. Allerhöchstens mal einen winzigen Melissengeist, wenn sie erkältet war. Aber dieser wäre ja nicht schädlich, sei er doch von der Äbtissin Hildegard von Bingen extra für die Gesundheit gemacht worden. Sie lächelte unschuldig.

Die Frau des Lehrers sah dies alles viel gelassener. Sie war ja nur eingeladen, weil man nicht anders konnte - und dazu neugierig war. Ihr war das ganze Zeug hier zu wabbelig, sie sehnte sich nach einem steifen Grog oder Aquavit, wie er zu Hause in Hamburg serviert wurde. Doch war sie mit ihrer Meinung zuerst mal zurückhaltend, sie mußte schließlich an die Karriere ihres Mannes denken. Aber auch Lucie Wegemann trank, ohne sich zu zieren, fast hätte sie noch geschmatzt und am klebrigen Glasrand geleckt. Sie war die Bibliothekarin der Stadtbücherei, mit fast akademischen Rang, was sie, wie so oft, nicht vergaß zu erwähnen.

Nach dem zweiten Likörchen lockerte sich die Stimmung, und Frau Bahnvorsteher Gaudsius öffnete den obersten Blusenknopf. Jetzt rückten die Köpfe mit den sorgfältig aufgesteckten Haarkronen noch näher zusammen. Natürlich hätten sie sich auch bei einer von ihnen treffen können, aber auch dort hatten die Wände oftmals Ohren.
"Lassen Sie uns einfach nach Berlin fahren", schlug Molts Ehefrau vor, wurde sie doch stark von der Eifersucht geplagt. "Och, wie langweilig", nörgelte Frau Gaudsius,
"da kann man doch immer hin. Da gibt es doch ganz andere Städte, wie
wär s denn mit Paris?"

Fräulein Lenchen Gänsebrust, Besitzerin des ersten Modesalons, erschauderte fast. Paris, oh du mein Gottchen! Allein der Gedanke, ein Südenpfuhl ohnegleichen, aber bezüglich der Mode ... Aber das konnte sie sich auf keinen Fall leisten. Auch die Lehrersfrau schüttelte den Kopf. Sie meinte, sie kenne die Reeperbahn und St. Pauli, sie lege keinen Wert auf Paris. Sie genierte sich auch nicht zu sagen, daß sie sich dieses bei dem Gehalt ihres Mannes nicht leisten könne. "Aber, Kindchen, das Fläer, das Fläer missen Se doch bedänken", schwärmte Frau Apotheker, "das finden Se doch nirjens wieder."

Aber Frau Hagen, die Lehrerfrau, bekannte tapfer, daß ihr ein herzhafter Räucheraal doch besser schmecken würde als ein Sekt im Chambre Séparée. Und dann kam wieder jemand darauf, die Männer einfach zu überraschen, was aber die Baronin für sehr unsportlich hielt. Frau Ambros tat dann den weisen Ausspruch: "Erbarmung, meine Damen! Laßt doch die Männer auch mal von der Leine, ist doch kein Beinbruch, man muß nur das Ende fest in der Hand behalten. Und wie sie uns nachher mit ihrem schlechten Gewissen wieder aus der Hand fressen werden. Es ist doch schon Strafe genug, daß sie mit ihren Erlebnissen danach überhaupt nicht prahlen können."
Sie beschlossen noch ein Prünellchen zu trinken und man sah es ihren Gesichtern an, daß die Vorstellung des Kommenden für sie nicht ohne Reiz war.

 

Maria Schlachta-Samuel schuf das Bild dieser Fischerhäuser an der See. Das Motiv ist als Blatt für den Monat April im neuen Kalender "Ostdeutschland und seine Maler" enthalten. Auch für das Jahr 2005 wurden wieder bekannte und weniger bekannte Künstler gefunden, die mit einem typischen Werk in diesem Kalender vertreten sind: Ernst Bischoff-Culm, Richard Birnstengel, Karl Storch d. Ä. oder Hans Kallmeyer, um nur einige zu nennen. Leser der Preußischen Allgemeinen Zeitung können auch dieses Mal wieder den beliebten Begleiter durch das Jahr zu einem besonderen Preis erwerben. Bis zum 30. September gilt der Subskriptionspreis von 18,50 Euro einschließlich Versandkosten (im Buchhandel später 20,50 Euro). Bestellungen bitte direkt an den Schwarze Kunstverlag, Richard-Strauss-Allee 35, 42289 Wuppertal, Fax (02 02) 6 36 31.

 
     
     
 
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