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Es ist eine andere Neugier, die mich immer wieder ins Weite treibt: neue Menschen kennenzulernen, hohe und niedere, wichtige und unwichtige“, schrieb einmal der Roman- und Reiseschriftsteller A. E. Johann im Vorwort zu einem seiner Bücher. „Allerdings“, so Johann, „habe ich mir längst abgewöhnt, mich nach landläufigen Urteilen, wer und was als ‚wichtig‘ anzusehen sei, zu richten. Von den ‚Wichtigen‘ und ‚Hohen‘ erfährt man beinahe regelmäßig nicht das, was ist oder was man gern wissen möchte, sondern nur das, was sie für ihre nicht immer durchsichtigen Zwecke unter die Leute gebracht haben wollen. Im Leben eines einzelnen ‚durchschnittlichen’ Zeitgenosse n jedoch kann sich dir das Antlitz eines ganzen Zeitalters enthüllen. Oft trifft das, was irgendwer sagt, der weder Vorsicht noch Nachsicht zu üben braucht, weil seine Meinung sowieso ‚ohne Belang‘ ist, ins Schwarze, erhellt wie ein Blitz, was sich im Schatten verbarg.“ Johann mußte es wissen, schließlich hat er auf seinen Reisen durch die Welt eine große Zahl von Menschen getroffen und mit ihnen gesprochen. Und was diese Menschen wie du und ich zu sagen hatten, das hat er niedergeschrieben und so ein Bild von der Welt gezeichnet, das noch heute seine Leser fasziniert. Von seinen eindrücklichen Reisebeschreibungen aus aller Herren Ländern kann man sich auch jetzt in dem bei Ferderking & Thaler erschienenen Taschenbuch Das Glück des Reisens (283 Seiten, 1 Karte, brosch., 20 DM) überzeugen.
Lang ist die Reihe der Titel, die A. E. Johann veröffentlicht hat. Angefangen hatte es mit dem Buch „Mit 20 Dollar in den Wilden Westen“, das innerhalb eines Jahres die für damalige Verhältnisse phantastische Auflage von 125 000 Exemplaren erreichte. In diesem Buch waren Reiseberichte zusammengefaßt, die A. E. Johann im Auftrag der „Vossischen Zeitung“ geschrieben hatte. Der Erfolg dieser Berichte veranlaßte den damaligen Chefredakteur der „Tante Voss“, Georg Bernhard, den jungen Reporter wieder auf Reisen zu schicken: „Fahren Sie, wohin Sie wollen, und berichten Sie uns, was Sie wollen.“
Und A. E. Johann zog wieder in die Ferne und - schrieb, bis ins hohe Alter. Schon damals wertete er seine Erlebnisse in zweifacher Hinsicht aus: Nach jeder Reise entstanden ein Sachbuch und ein Roman. Titel wie „Wo ich die Erde am schönsten fand“, „40 000 Kilometer! - Eine Jagd auf Menschen und Dinge rund um Asien“, „Große Weltreise mit A. E. Johann“, „Amerika ist eine Reise wert“, „Nach Kanada sollte man reisen“, „Abenteuer der Ferne“ erschienen. Aber auch die großen Roman, wie die Trilogie „Im Strom“, „Das Ahornblatt“ und „Aus dem Dornbusch“, die Kanada-Trilogie „Ans dunkle Ufer“, „Wälder jenseits der Wälder“ und „Hinter den Bergen das Meer“. Die Romane „Am Ende ein Anfang“ und „Die Leute von Babentin“ führen nicht in die Ferne, sondern schildern eindrucksvoll das Schicksal derer, die aus dem deutschen Osten fliehen und sich im Westen eine neue Existenz aufbauen mußten. Ein Schicksal, das A. E. Johann durchaus nachempfinden konnte, war er doch dort geboren und aufgewachsen.
Am 3. September vor 100 Jahren als Alfred Ernst Johann Wollschläger in Bromberg als Sohn eines Postrats geboren, verbrachte er seine Kindheit in Preußisch Friedland. In einem seiner wenigen heute noch lieferbaren Romane Sehnsucht nach der Dobrinka (Langen Müller. 5. Auflage. 408 Seiten, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 19,90 DM) erzählt er vom Leben der Menschen seiner engeren Heimat. Dramatische, idyllische und besinnliche Szenen vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte dieses Landes. Johann einmal zum Thema „Heimat und Heimweh“: „Bis an unser Lebensende und von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkend, sollten wir Ostdeutschen uns von niemand das Recht bestreiten lassen, uns unserer wunderbaren verlorenen Heimat mit nie endender Sehnsucht, Trauer und Liebe, mit nie endendem Heimweh zu erinnern.“
Als Freiwilliger nahm Johann am Ersten Weltkrieg teil und studierte im Anschluß in Berlin Theologie, Geographie und Soziologie, machte eine Banklehre und wurde Buch- und Wirtschaftsprüfer. Dann aber zog es ihn in die Ferne. Durch Vermittlung des Journalisten Hans Zehrer kam er schließlich zur „Vossischen Zeitung“ und wurde zu einem der beliebtesten Reiseschriftsteller unserer Tage.
A. E. Johann, der 1969 mit dem Marienburg-Preis der Freundeskreis Westpreußen ausgezeichnet wurde, starb am 8. Oktober 1996 im Alter von 95 Jahren. - „Ich habe“, so der Bromberger einmal rückblickend, „in einem langen Wanderleben die Gesichter der Erde alle erlebt, als sie noch nicht gekränkt waren, als sie noch der Idee entsprachen, die ihrer Schöpfung zugrunde lag. Dies wollte ich deutlich machen, wollte es in die Herzen und Köpfe der Bewohner der Erde einbrennen, damit ihnen die Liebe zur Erdenheimat und ihrer Schönheit nicht weiter erlischt.“
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