|
Wante got weyt, et is en selsen man!" (Weiß Gott, er ist ein seltener/sonderbarer Mann), sagten seine Mitarbeiter und Auftraggeber, als man ihn Anfang Mai 1509 in Lübeck zu Grabe trug. Und wahrhaftig: über den Bildschnitzer und Maler Bernt Notke machen sich Wissenschaftler noch heute Gedanken. Zu Lebzeiten ein gefragter Künstler, wurde der um 1440 im vorpommerschen Lassan geborene Notke erst 1889 durch die Dissertation von Adolph Goldschmidt, "Lübecker Malerei und Plastik bis 1530", wiederentdeckt. Es folgten Veröffentlichungen in Ost und West, denn schließlich wirkte der Meister nicht nur in Lübeck, sondern bis hinauf nach Arhus, Stockholm und Reval. Bis hinein in unsere Tage beschäftigt sich die Forschung mit seinem Schaffen. So erschien 1985 im Verlag der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, eine Untersuchung von Gerhard Eimer über das Wirken des niederdeutschen Künstlers im Ostseeraum. "Es ist das Spannungsverhältnis zwischen ausgeprägtem Realismus und Hintergründigkeit, zwischen gigantischer Repräsentation und volkstümlicher Schilderung, zwischen grobschlächtiger Attitüde und erhabener Andacht, welches das Künstlertum Notkes ausmacht", schrieb Eimer.
Wie der Künstler im späten Mittelalter arbeitete, zeigt Kerstin Petermann auf, die im Berliner Dietrich Reimer Verlag die leicht überarbeitete Fassung ihrer Dissertation herausbrachte: Bernt Notke Arbeitsweise und Werkstattorganisation im späten Mittelalter (273 Seiten, 18 Farb- und 195 sw Tafeln, geb. mit farbigem Schutzumschlag, 128 DM). Eingehend untersucht sie die einzelnen restaurierten Werke, deren Malerei und Fassung weitgehend den originalen Bestand aufweisen. Dazu gehören der Totentanz in der Revaler Nikolaikirche (Antoniuskapelle), die Flügel des Johannesretabels der Schonenfahrer im St. Annen-Museum, Lübeck, das Triumphkreuz im Lübecker Dom, das Hochaltarretabel im Arhuser Dom, das Retabel des Hochaltars der Heilig-Geist-Kirche in Reval, die St. Jürgen-Gruppe in der Nikolaikirche in Stockholm und auch die Gregorsmesse in der Lübecker Marienkirche. In ihrer Analyse kommt Petermann zu dem Schluß, daß Notke, vor allem als Maler bekannt, nicht selbst als Bildschnitzer wirkte, sondern lediglich die Skulpturen entwarf und ihnen durch Farbe "den letzten Schliff" gab. Spezialisten erledigten die eigentliche Arbeit. Rationale Arbeitsteilung also schon im späten Mittelalter. Notke gelang es darüber hinaus als einem der ersten Meister des Ostseeraumes, die Kunst seiner Heimat aus der provinziellen Enge herauszuführen und sein Jahrhundert schöpferisch mitzugestalten.
|
|