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Ein wahres Wort

 
     
 
Behindert vom Gewicht der Reisetasche, stolperte ich hastig die Bahnsteigtreppe hoch - nur um gähnende Leere zu erblicken, wo doch eigentlich mein Zug hätte stehen sollen! Nun denn, daß er mir vor der Nase abgefahren war, daran ließ sich ja wohl schwer etwas ändern.

Wütend war ich trotzdem. Wäre da nicht dieser verflixte Stau gewesen, der das Taxi einfach nicht von der Stelle kommen ließ, so säße ich jetzt glücklich und zufrieden im Abteil und könnte die Beine von mir strecken. Statt dessen hockte ich auf einer zugigen Wartebank, atmete schlechte Luft und mußte scharf aufpassen, daß sich nicht irgendwelche zwielichtigen Gestalten über mein Handgepäck hermachten.

Erbittert starrte ich die Anzeigentafel an. Noch eine gute halbe Stunde bis der nächste, für mich geeignete Zug eintrudelte! Meine Stirn legte sich in Falten. Was nützte die sorgfältigste Planung, wenn dann doch alles schiefging !? Der reservierte Sitzplatz war futsch, und den Anschlußzug würde ich vermutlich auch nicht mehr erwischen.

Dermaßen mit mir selbst beschäftigt, schenkte ich dem älteren Ehepaar, das sich mit seinen zahlreichen Köfferchen neben mir auf der Bank niederließ, kaum mehr als einen flüchtigen Blick. Äußerst störend auf meinem Gedankengang wirkte dagegen der ungepflegt erscheinende junge Mann, der schlurfenden Schrittes den Bahnsteig auf- und abpilgerte. Das lange Haar hing ihm in zotteligen Strähnen ins Gesicht, von seinen Jeans war eigentlich nur noch das Grundgewebe zu sehen, und Jacke und Turnschuhe schienen bereits mehrere Schlammschlachten überstanden zu haben.

Das eigentlich Entnervende an ihm waren jedoch zum einen die dreisten Blicke, die er immer wieder in Richtung Wartebank hinüberschickte, zum anderen seine Angewohnheit, alle paar Sekunden einen Schluck aus der Bierdose zu nehmen und danach in aller Lautstärke vor sich hin zu rülpsen.

Meine Miene verfinsterte sich zusehends, um sich aber schlagartig aufzuhellen, als die ältere Frau neben mir, der der unliebsame Zeitgenosse
anscheinend auch auf den Wecker ging, sich mit mißbilligend vorgeschobener Unterlippe ihrem Mann zuwandte: "Der reinste Lachodder!" hörte ich sie voller Entrüstung zischen.

Lachodder? Plötzlich war mir sehr heiter zumute. Genau dasselbe hätte ich aus dem Munde meiner Großmutter vernommen, wenn sie eines solchen Menschen ansichtig geworden wäre!

Lachodder - dieses vertraute, unvergessene Wort auf dem belebten Bahnsteig einer Großstadt zu hören, schien mir ein kleines Wunder zu sein. Ein Wunder, das meine schlechte Laune im Nu wegpustete. - Der Zug lief ein, ich nahm meine Reisetasche auf und irgendwie fand ich es gar nicht so erstaunlich, daß diese auf einmal um vieles leichter wo
 
     
     
 
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