|
Kaum war die Todesnachricht über die Agenturen gelaufen, da schlug die Stunde der Verschwörungstheoretiker: Möllemann sei "ohne jeden Zweifel" ermordet worden - wegen seines angeblich antisemitischen, tatsächlich israelkritischen Flugblattes im Bundestagswahlkampf. Wo aber bleibt da das Motiv? Wem - außer der FDP - hat das Flugblatt denn geschadet? Wenn es einigermaßen sichere Motive für irgend etwas gibt, dann für einen Freitod. So schmerzlich es für Möllemanns Angehörige sein mag, dies einzugestehen - alles andere ist Kaffee satzleserei und Spökenkiekerei.
Freilich sollte dieser Tod eines Politikers für uns alle Anlaß zum Nachdenken sein: Ist unser Land schon so tief gesunken, daß Selbstmord als "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" vorstellbar und akzeptabel ist? Taugen Leben und Sterben eines Menschen nur noch als Sensations- und Spekulationsobjekt - so lange, bis die nächste Sensation da ist? Man beachte: Für die Medien hatte Möllemanns Tod ein "Verfallsdatum" von nicht einmal einer Woche. Juliane Meier |
|