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Am 10. August ist es endlich soweit - erstmals wird in Berlin allen Besuchern ein Einblick in das offenstehen, was als Vorgeschmack auf ein "Zentrum gegen Vertreibungen" verstanden werden kann. Allen Vorwürfen und Anfeindungen zum Trotz, soll eine erste zeitlich begrenzte und keineswegs endgültige Ausstellung die Bereiche von Flucht und Vertreibung darstellen. Die Gewalttaten selbst und deren Opfer und somit das, worum es in monatelangen, oft künstlich aufgeheizten Debatten ging, werden so erstmals umfassend einem breiten Publikum im Berliner Kronprinzenpalais auf 600 Quadratmetern Austellungsfläche zugänglich gemacht.
Von Umfang und Größe her durchaus mit der Bonner Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" vergleichbar, will die temporäre Ausstellung des Zentrums inhaltlich mehr leisten. Ein zeitlich wie räumlich weiterer Blick auf die schick-salhaften erzwungenen Wege soll eröffnet werden. Ausgewählte europäische Beispiele sollen Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede bei Ursache, Wirkung und Folge von Flucht und Vertreibung dokumentieren. Statt Gewichtung von Leid soll die Forderung der Unteilbarkeit menschlicher Erfahrung und menschlichen Leides als Grundlage dienen. Nicht Verbrechen hier und vermeintlich Selbstverschuldetes da - "Flucht und Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts" will Ort der Mahnung sein, auch vor künftigen Vertreibungen.
So werden die 13 Beispiele mit ihren unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Vertreibung im historischen Umfeld gezeigt - nicht aus der Perspektive des Angekommen- und Integriertseins wie im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik. Unter den Beispielen ist auch die Vertreibung der Juden Europas als Zeichen dafür, wie Vertreibungen als Vorstufe von Völkermord beginnen können. Zeitgenössische Vertreibungen, so auf Zypern oder im Jugoslawien der 90er Jahre , sollen nicht etwa als "Feigenblatt" von einer deutschen Geschichtsbe-
trachtung ablenken. Vielmehr geht es der Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen" darum, Vertreibung als Mittel der Politik grundsätzlich zu ächten. Dennoch bleibt genug Raum für das, was bisher museal stets ungenügend beachtet blieb: Die Verschleppung und Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges 1944 bis 1948. Deutsche Schuld soll dabei nicht verwischt, deutsches Leiden aber trotz Schuld auch nicht mehr verschwiegen werden, so die Macher dieser Ausstellung.
Diese Ambivalenz auszuhalten, sich nach der Auseinandersetzung mit der Schuld auch wieder dem eigenen Leid zuwenden zu dürfen, sei zentraler Bestandteil. Viele Jahre lang war das nicht öffentlich möglich. Zu ideologisch aufgeheizt war die Debatte. Ein Menschenrecht auf Erinnerung ist jedoch unbestreitbar. Bewußt will sich das Austellungskonzept den Gefühlen stellen, die diese Auseinandersetzung zutage fördert. Themen wie "Heimat", "Grenzen", "Recht und rechtlos" sollen Mitgefühl schaffen für Menschen unterschiedlicher Nationalität. Hier ohne Konkurrenz der Opfer, ohne Hierarchie des Leidens.
Dafür, daß neben der subjektiven Komponente die sachlich richtige Darstellung gelingt, bürgen internationale Wissenschaftler - so aus Israel, Serbien oder Ungarn. In Deutschland nach wie vor in weiten Bevölkerungskreisen unbekannte oder zumindest in den wesentlichen Abläufen nicht wahrgenommene europäische Schicksale kommen ans Licht. So gehört zu den Beispielen auch das, was Polen, Balten und Ukrainer 1939 bis 1947 an Deportationen erleiden mußten. Das gesetzte Ziel eines Gesamtüberblicks über Vertreibung in Europa kann die Ausstellung auf diese Weise sicher besser erfüllen als alle bisherigen.
"Flucht und Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts" bis 29. Oktober im Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3, Berlin. Informationen: "Zentrum gegen Vertreibungen", Friedrichstraße 35/V, 65185 Wiesbaden, Telefon (06 11) 3 60 19 28 |
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