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Eine Monographie über das Leben des Deutschamerikaners Frederick Bartels

 
     
 
Autobio- graphische Quellen zur Wirt- schaftsgeschichte haben ihren eigenen Wert. Schon lange vor der aktuellen Hinwendung der Geschichtswissenschaft zur Ebene der individuellen Erfahrung haben Wirtschaftshistoriker sich für "weiche", subjektive Faktoren interessiert, die "harte" statistische Daten beeinflussen, dem ökonomischen Handeln Motivation und Sinn verleihen. Einblicke in die Gedanken- und Lebenswelt eines erfolgreichen Fabrikanten sind jetzt den Lebenserinnerungen des Frederick Bartels zu entnehmen, die Georg Jenkner herausgegeben und mit erläuternden Anmerkungen versehen hat. Bei den Vorarbeiten zu einer ortsgeschichtlichen Publikation war Jenkner auf das Mitte der 1950er Jahre entstandene Manu-skript gestoßen, das einen ungewöhnlichen Lebensweg dokumentiert.

Frederick Bartels wurde 1876 als Sohn eines deutschen Gutsbesitzers und einer amerikanischen Anwalts-tochter im US-Bundesstaat Virginia geboren. Im Alter von 14 Jahren folgte er seinem inzwischen wieder in Deutschland lebenden Vater auf ein ostdeutsches Gut. Nach der Lehrzeit in Elbing sowie Studium und Ingenieurprüfung in Hildburghausen trat Bartels seine erste Stellung als Ingenieur für Spiritusbrennereibau an, die ihn bis nach Budapest
und Galizien führte. Anschließend wirkte er in Königsberg als technischer Leiter einer landwirtschaftlichen Genossenschaft.

Ab 1903 leitete Bartels die "Ostdeutsche Maschinenfabrik AG, vormals Rudolf Wermke" in Heiligenbeil in Ostdeutschland, einen international renommierten Produzenten von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten, und führte das Unternehmen mehr als drei Jahrzehnte lang - durch Weltkrieg, Revolution, Inflation und Wirtschaftskrise. 1935 auf Betreiben der neuen Machthaber als "Reaktionär" abgesetzt, betätigte er sich weiterhin in der ostdeutschen Industrie - zunächst gemeinsam mit einem seiner Söhne, bis dieser 1941 in Rußland fiel. Die Flucht im Januar 1945 führte Bartels schließlich nach Hamburg, in die Geburtsstadt seines Vaters.

Die gut lesbare Darstellung gibt Aufschluß über vielfältige Hintergründe dieses Werdegangs. Die persönlichen Schwierigkeiten, die Bartels zu überwinden hatte, kommen ebenso zur Sprache wie die verwandtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen, die seine Karriere förderten und absicherten. Zur wichtigsten Bewährungsprobe geriet der Erste Weltkrieg mit seinen Folgen. Zeitweise als Leiter eines Spirituswerkes eingesetzt, kehrte Bartels nach eigenen Angaben lieber an die Front zurück, als auf unlautere Weise Kohlen für den Betrieb zu besorgen.

Im Verhältnis zur Arbeiterschaft setzte sich der von Kindheit an auf den Gütern eingeübte Paternalismus auch 1919 gegenüber den Streikführern durch: "Ich hatte ... den Gewerkschaftsvertretern das Betreten unserer Fabrik verboten und habe nie wieder einen Gewerkschaftssekretär gesprochen und in den ganzen folgenden Jahren nie wieder eine Lohnverhandlung gehabt."

Geschäftsstrategien werden geschildert und unter dem Stichwort "kaufmännische Erfahrungen und Prinzipien" zusammenfassend reflektiert: "Der Erfolg eines Kaufmannes beruht nach meinen Erfahrungen absolut auf dem Vertrauen seiner Kundschaft. Dieses gewinnt der Kaufmann nur durch Ehrlichkeit, Offenheit und guten Kundendienst, wobei auch das Interesse der Kunden wahrgenommen werden muß, eventuell ohne Rücksicht auf die eigenen Kosten."

Auch außerhalb der Firma ließ sich Bartels nicht von eng verstandenem Eigeninteresse, sondern Prinzipien und hohem Verantwortungsbewußtsein leiten. Als Stadtrat und Kreistagsabgeordneter, Mitbegründer der Deutschnationalen Volkspartei im Kreis Heiligenbeil, in zahlreichen Vereinen, Verbänden und Aufsichtsräten setzte er sich für die Allgemeinheit ein. Erholung verschafften ihm, neben der Familie, vor allem seine Sport-, Jagd- und (seit 1907) "Autoleidenschaft". Konservativ und weltläufig, begeisterungsfähig und nüchtern zugleich - so erscheint Bartels in seinen Erinnerungen. Bei allem Patriotismus blieb sein Blick nicht auf Deutschland beschränkt; der Kontakt zu den amerikanischen Verwandten, zu denen der Sohn Murray schon 1929 auswanderte, bestand fort.

Angelsächsische und ostdeutsche Prägungen wirken auch zusammen, wenn Bartels den erzwungenen Abschied von seiner langjährigen Heimat resümiert: "Am 15. Januar [1945] leitete ich meine letzte Treibjagd auf meinem früheren Rittergut Kukehnen und schoß dort noch meinen letzten Hasen in meinem reichen Jägerleben. Mein erstes fliegendes Rebhuhn hatte ich als elfjähriger Junge in Virginia 1887 geschossen." Nicolas Rügge

Georg Jenkner (Hrsg.): "Von Amerika nach Ostdeutschland. Die Lebens- erinnerungen des Unternehmers Frederick Bartels (1876-1958)", Edition Truso, Berlin 2002, Hardcover, 151 Seiten, 14,80 Euro

Der Erfolg eines Kaufmanns beruht nach meinen Erfahrungen absolut auf dem Vertrauen seiner Kundschaft. Dieses gewinnt der Kaufmann nur durch Ehrlichkeit, Offenheit und guten Kundendienst. Frederick Bartels, Kaufmann und Ostpreuße aus Leidenschaft
 
     
     
 
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