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Wenn der KdF-Wagen auch von Ferdinand Porsche konstruiert wurde, so ist mit dem VW "Käfer" als dem Nachkriegsauto der Massen und dem Pro-dukt des deutschen "Wirtschaftswunders" doch untrennbar der Name des ersten deutschen Nachkriegschefs des Volkswagenwerkes Heinrich Nordhoff verbunden. Es ist nun nicht so, daß unter seiner Ägide nur Käfer produziert worden wären. So wurde der Typ 1 ab dem Jahre 1950 durch den Typ 2, den "Bully" genannten Transporter, ergänzt, und ab 1955 gab es für den sportlich ambitionierten Fahrer mit etwas vollerer Geldbörse das in Zusammenarbeit mit der Firma Karmann entwickelte VW-Karmann-Ghia-Coupé. Das Cabriolet zum Coupé wurde 1957 auf der International en Automobil-Ausstellung (IAA) der Öffentlichkeit präsentiert.
Im Jahre 1961, das deutsche "Wirtschaftswunder" zog an, wurde für den gesellschaftlich aufgestiegenen "Käfer"-Fahrer der Typ 3, der VW 1500, in das Produktionsprogramm aufgenommen. Dieser Stufenhecklimousine folgte ein Jahr später eine Kombiversion, bei Volkswagen seit diesem Modell traditionell "Variant" genannt. Ab 1965 gab es dann auch eine Schrägheckversion, den VW 1600 TL. Dieser hatte zwar mehr Kofferraum als die VW-1500-Limousine, wegen ihrer gewöhnungsbedürftigen Proportionen interpretieren Spötter die Buchstabenkombination "TL" jedoch gerne als Kürzel für "Traurige Lösung".
Von vorne wie ein Typ 3 und von hinten wie ein Typ 2 sieht "Fridolin" aus. Der Kleinlieferwagen VW 147 wurde ab 1965 an den Großkunden Deutsche Bundespost ausgeliefert, für den er auch entwickelt worden war. Jeder etwas ältere Westdeutsche wird diesen von der Firma Westfalia bis in die 70er Jahre gebauten "Zwitter" noch vom Leeren der Briefkästen kennen.
Analog zum 1955 vorgestellten VW-Karmann-Ghia-Coupé auf der Basis des Typs 1 wurde nun auch auf der Basis des Typs 3 ein entsprechendes Sportcoupé hergestellt. Anders als vom "kleinen" Karmann-Ghia ging vom "großen" jedoch nie eine Cabrio-Version in Serie, und auch das Cabrio auf Basis der VW-1500-Stufenhecklimousine ist über einen im Automuseum Volkswagen zu besichtigenden Prototypen nicht hinausgekommen.
Nichtsdestotrotz gab es jedoch auch schon zu Zeiten von Heinrich Nordhoff neben dem "Käfer" also durchaus auch andere Typen im Angebot. Diese anderen Modelle hatten jedoch zweierlei gemein. Zum einen waren sie insofern Variationen des Themas "Käfer", als sie wie er einen die Hinterräder antreibenden luftgekühlten Boxermotor im Heck hatten. Und zum anderen sollte keiner von ihnen die Nachfolge des "Käfers" als Volkes Wagen antreten.
Heinrich Nordhoff, von dem das Wort überliefert ist: "Der Käfer hat so viele Fehler, wie ein Hund Flöhe hat", stand dem Typ 1 nicht blauäugig gegenüber, doch der Vorkriegsveteran verkaufte sich auch noch drei Jahrzehnte nach seiner Entwicklung gut und mit ausreichender Gewinnspanne, so daß Nordhoff auf das riskante Unterfangen einer Ablösung des in seinem Erfolg nur mit dem Ford-T-Modell vergleichbaren Volumenmodells verzichtete.
Am 12. April 1968 starb plötzlich und unerwartet nach kurzer schwerer Krankheit Heinrich Nordhoff. Es folgten schwere Jahre für das Volkswagenwerk. Die Weltkonjunktur schwächelte. Der deutsche und damit auch der VW-Export litten unter der Schwäche des US-Dollars. Und die Ölkrise traf schwer - besonders den sogenannten "Superkäfer", da er sich als regelrechter Spritfresser erwies.
Ein Nachfolger sollte es richten. Bereits am 1. April 1970 tagte im Volkswagenwerk der Planungsausschuß und gab der Forschung und Entwicklung den Auftrag, ein neues Auto zu bauen, das sicher, komfortabel, kompakt, hübsch und technisch auf der Höhe der Zeit sein sollte. Wie groß die Krise, der Leidensdruck inzwischen waren, wird auch daran deutlich, daß bereits 1971 Nordhoffs Nachfolger Kurt Lotz an der Spitze des Volkswagenwerkes abgelöst wurde.
Lotz Nachfolger Rudolf Leiding hatte vor seiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden der Volkswagenwerk AG bei der Konzerntochter Audi gearbeitet, und diese Zeit prägte ihn. Nordhoff hatte bis zuletzt im "Käfer"-Konzept die tragende Säule des Werkes gesehen, getreu seinem 1964 verlautbarten Motto: "Wir würden den Fehler unseres Lebens machen, wenn wir diese Entwicklung auch nur um Bruchteile ändern wollten." Auch unter Nordhoffs Nachfolger Lotz waren mit dem für die Bundeswehr gebauten Mehrzweckwagen VW 181 und dem als Schräckhecklimousine und Kombi gebauten VW 411, dem sogenannten "Nasenbär", Fahrzeuge auf den Markt gekommen, die diese Tradition fortsetzten.
Lotz Nachfolger Leiding nun setzte für den Gesamtkonzern das Baukastensystem durch. Für den Antrieb der entsprechenden Modelle des Konzerns wählte er nicht das klassische VW-Konzept, sondern die bei den Fahrzeugen der Konzerntochter Audi bereits übliche Kombination aus wassergekühltem Frontmotor und Frontantrieb.
Der "Passat", der den Typ 3 ablösen sollte, war das erste Fahrzeug dieser neuen Generation. Im Mai 1973 wurde er der Öffentlichkeit präsentiert. Entsprechend dem Baukastensystem basierte er weitgehend auf dem ein knappes Jahr zuvor vorgestellten Audi 80. Der Volkswagen war jedoch entsprechend dem Unterschied in der angezielten Käuferschicht billiger und hatte statt des klassischen Stufenhecks des Audi ein vom italienischen Designer Giorgetto Giugiaro entworfenes Fließheck.
Giugiaro zeichnete auch für das kantige und keilförmige Blechkleid des "Scirocco" verantwortlich, der - ebenfalls mit wassergekühltem Frontmotor und Frontantrieb ausgestattet - im Februar 1974 auf den Markt kam. Der "Scirocco" stand zum "Golf" in einem ähnlichen Verhältnis wie der "kleine" Karmann-Ghia zum "Käfer", er war der sportlichere und teurere Bruder des Massenmodells.
Am 2. März 1974 begann dann schließlich die Produktion des ebenfalls vom Italiener gestylten, aber in seiner Formgebung nicht so aggressiven und bulligen "Golf", wobei die Aneinanderreihung der Typenbezeichnungen "Passat", "Scirocco" und "Golf" bereits erahnen läßt, daß man bei VW bei der Bezeichnung "Golf" weniger an die exklusive Sportart gedacht hatte. Das Mißverständnis wurde jedoch VW-seitig aufgegriffen, und es folgten später Modelle mit sportlichen Bezeichnungen wie "Polo" und "Derby".
Der "Golf" schaffte es, die Nachfolge des "Käfers" anzutreten, den er immer mehr verdrängte, und den Volkswagenkonzern aus der Krise zu holen. Bis zur Ablösung durch den "Golf" II im Jahre 1983 wurde der "Golf" I 6.780.050 Male produziert. Den ersten beiden "Golf"-Generationen folgten 1991 der "Golf" III, 1997 der "Golf" IV und letztes Jahr der "Golf" V.
Im vorletzten Jahr feierte Volkswagen den 21.517.415. "Golf". Dem Unternehmen sei die Freude über ihre hohen Verkaufszahlen gegönnt, doch wenn gerade diese Zahl mit der Begründung gefeiert wurde, daß damit die Produktion des legendären "Käfers" überholt worden sei, muß doch die ketzerische Frage erlaubt sein, ob "Golf" I, II, III, IV und V außer dem Schriftzug am Heck und der breiten hinteren C-Säule so viel mehr gemein haben, daß man sie wie den "Käfer" als ein Modell bezeichnen kann.
VW "Golf" I: Der Kompaktwagen, der einer ganzen Klasse seinen Namen gab, war ab 1976 auch als sparsamer Diesel und leistungsstarker GTI zu haben. 1979 folgten eine Cabrio- sowie eine bis 1982 nur in Amerika gebaute Pickup-Version, der "Caddy". Ebenfalls 1982 wurde der GTD mit Turbodieselmotor eingeführt.
Autoträume
Noch bis zum 21. März dokumentiert das Automuseum Volkswagen in einer Sonderausstellung unter dem Titel "Autoträume der 50er" die Vielfalt des künstlerischen Schaffens europäischer Karosserie-Manufakturen auf "Käfer"-Basis zu einer Zeit, in der Lifestyle noch unbekannt war, aber dafür Lebenslust um so mehr. Nähere Informationen wie Öffnungszeiten und Eintrittspreise sind zu erfahren bei der Stiftung Automuseum Volkswagen, Dieselstraße 35, 38446 Wolfsburg, Telefon 0 53 61 /5 20 71, Fax 0 53 61 / 5 20 10. EB |
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