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Gesünder unter 7 - ein eingängiges, leicht zu merkendes Motto. Dennoch können viele nichts damit anfangen, erschreckenderweise auch gut die Hälfte der direkt Betroffenen nicht.
Gesünder unter 7 - so heißt eine bundesweite Aufklärungsaktion im Kampf gegen die Volkskrankheit Diabetes. Gemeint ist damit das zentrale Therapieziel: den sogenannten Langzeitblutzuckerwert unter sieben Prozent zu halten. Diese magische Zahl, HbA1c-Wert in der Sprache der Wissenschaftler, ist der wichtigste Indikator für die Schwere der Krankheit, also auch für die bitteren Konsequenzen, mit denen der Patient rechnen muß, wenn er nicht energisch gegen die Krankheit vorgeht. Und "energisch" bedeutet etwas mehr als das regelmäßige Spritzen von Insulin.
Auf einer Presseveranstaltung am Rande des Auftakts von "Gesünder unter 7" in Berlin wurden uns wenig ermutigende Zahlen genannt. Weniger als 50 Prozent der befragten Diabetiker kannten überhaupt ihren Langzeitwert. Die jüngsten Untersuchungen ergaben dann, daß bei 75 Prozent aller Patienten die kritische Sieben-Prozent-Marke überschritten war. Bei 22 Prozent lag er sogar über 8,5.
Zu der Minderheit mit gutem HbA1c-Wert zählen einige Prominente, die sich in den Dienst dieser vom Pharma-Konzern Sanofi-Aventis gesponsorten Aktion gestellt haben. So beeindruckte der Torwart des Bundesliga-Fußballvereins Mainz 05, Dimo Wache, mit der Schilderung, wie er Hochleistungssport und Diabetes-Erkrankung miteinander vereinbart. Hochinteressant auch die Ausführungen des Journalisten Thomas Fuchsberger, der - seit drei Jahrzehnten Diabetiker - beschrieb, wie er trotz dieser Krankheit und der ständigen Selbstdisziplin, die sie dem Betroffenen abverlangt, große Weltreisen unternehmen kann, Reisen, die auch für einen völlig Gesunden anstrengend sind.
Nicht selber betroffen, aber genauso engagiert zeigte sich Fußballidol Uwe Seeler. Hier durch seine nach wie vor ungebrochene Popularität auf ein sehr ernsthaftes Problem aufmerksam zu machen, ist für "uns Uwe" wohl auch ein Stück persönlicher Dankbarkeit, daß er selber von solch schweren Krankheiten verschont blieb. Der rege Publikumszuspruch am Potsdamer Platz im Herzen der Hauptstadt, wo "Gesünder unter 7" startete, war jedenfalls in erster Linie dem beliebten Hamburger Fußballstar zu verdanken.
Das eher beunruhigende Zahlenmaterial zum Thema lieferte der Internist und Diabetes-Experte Dr. Klaus-Jürgen Ruhnau. Der gebürtige Allensteiner, der als Privatdozent in Berlin tätig ist, wies nach, daß Diabetes eine typische Wohlstandskrankheit ist. 1941, im dritten Jahr des Zweiten Weltkriegs mit all seinen Entbehrungen, waren in Deutschland lediglich 0,2 Prozent der Bevölkerung zuckerkrank. 1961 - Folge des sogenannten Wirtschaftswunders - lag die Ziffer bereits bei 3,6 Prozent. Heute sind wir bei acht Prozent angekommen, 2010, also in weniger als drei Jahren, wird die Zehn-Prozentmarke überschritten, und bis 2015 müssen wir uns darauf einstellen, daß 15 Prozent aller Deutschen zuckerkrank sind. Anders formuliert: Ende 2004 waren 6,3 Millionen Diabetiker registriert; innerhalb von nur sechs Jahren wird diese Zahl um 60 Prozent ansteigen.
Hauptursachen sind, neben erblicher Veranlagung, Übergewicht und ungesunde Lebensweise, vor allem Rauchen, Bewegungsmangel und falsche Ernährung. Solange Millionen von Menschen - teils aus Unkenntnis, teils aber auch aus Gleichgültigkeit oder gar bewußter Ignoranz, nicht bereit sind, diese in ihrer eigenen Verantwortung liegenden Risikofaktoren zu reduzieren, brauchen wir über Verwaltungs- und Strukturreformen im Gesundheitswesen eigentlich gar nicht weiter zu diskutieren - die explodierenden Kosten dieser (und auch manch anderer) Volkskrankheit werden in den nächsten Jahren jeder noch so gut gemeinten Reform davonlaufen. Schon heute liegen sie bei der Diabetes im Milliardenbereich.
Denn die Folgen, die auch von vielen Betroffenen verdrängt und verharmlost werden, sind gravierend: Schlaganfall, Infarkt sowie andere schwere, oft tödlich verlaufende Herzkrankheiten zählen ebenso dazu wie eine Reihe behandlungsintensiver chronischer Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems.
So ist es im Interesse aller, der Gesunden wie der Diabeteskranken, der Aktion "Gesünder unter 7" größtmöglichen Erfolg zu wünschen (weitere Termine: Bremen 11. / 12. Mai, Köln 18. / 19. Mai, Hamburg 1. / 2. Juni). Juliane Meier
Eindringlicher Appell an eigene Verantwortung |
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