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Einen Kulturkampf vom Zaun brechen

 
     
 
Die von der CDU/CSU angestoßene Umfrage zum Thema Doppelte Staatsbürgerschaft hat die Position der Grünen nicht nur in Hessen in schwere Bedrängnis gebracht. Die Partei, die das Wort Basisdemokratie vor Jahren ins politische Gespräch gebracht hat, hat von der Basis selbst die rote Karte erhalten. Doch was ist die Basis? Das Volk soll es offenbar nicht mehr sein, sondern eine beliebig zusammensetzbare Gesellschaft aus Einzelpersonen, die mal dazugehören und mal nicht. Das Ganze bekommt dann den hübschen Namen "Zivilgesellschaft
", und jeder ist zufrieden. Das Wort Demokratie (wörtlich: Volksherrschaft) soll einen neuen Inhalt bekommen. Das Volk als entscheidende Grundlage der Demokratie, wie es auch das Grundgesetz vorschreibt, soll aussortiert werden.

Tatsächlich haben die Grünen schon immer so ihre Schwierigkeiten mit Volkes Stimme gehabt. Das galt für die Kernkraft ebenso wie für die Frage des Euro. Noch vor nicht allzu langer Zeit stritt der heutige Bundesumweltminister Jürgen Trittin mit PDS-Politikern in der linksextremen Wochenzeitung "Jungle World" über das Thema Euro. Trittin vertrat damals die Meinung, es sei schlichtweg egal, was das breite Volk darüber denke. Volksabstimmungen seien nur schädlich. Allein entscheidend sei, daß durch den Euro der deutsche Einfluß in Europa und der Welt geschwächt werde – und das sei gut so. Das hätte Lenin nicht schöner sagen können. Dabei scheint eines in Vergessenheit geraten zu sein: Alle Bundesminister, auch Trittin, haben einen Eid abgelegt, nämlich "Schaden vom deutschen Volk zu wenden". Vom deutschen Volk – und nicht zunächst von der global community.

Doch viele Parteigenossen Trittins scheinen ähnlich zu denken. So kann es auch nicht verwundern, daß die Grünen und ihre Sympathisanten in den Medien wegen des hessischen Wahlergebnisses kaum ins Grübeln kommen, was die Frage des Staatsbürgerschaftsrechtes angeht. Wie immer liegt der Fehler natürlich nicht auf der eigenen Seite, sondern man habe die Sache dem Wähler nur nicht richtig klar gemacht. Es ist immer dieselbe Geschichte: Hat man die Wahlen verloren, dann war nicht die Politik falsch, sondern sie ist nur "schlecht rübergekommen". Fazit: Es ist aus rot-grüner Sicht unerheblich, was der Wähler will, wenn er etwas "Falsches" will. Dem könne man bestenfalls mit vermehrter Propaganda entgegenwirken.

So sieht das auch Eberhard Seidel-Pielen in der linken Berliner Tageszeitung "taz": "Rot-Grün hat einen (überfälligen) Kulturkampf vom Zaun gebrochen, ohne inhaltlich und organisatorisch darauf vorbereitet gewesen zu sein. Wo waren die Informationskampagnen zur Reform …?" Auch der Heidelberger Publizist Micha Brumlik meint: "Hessens Grünen fehlt, was sie früher besaßen: Kampagnefähigkeit." Und so darf man sich wohl in den kommenden Wochen und Monaten auf ein Dauerfeuer in den Medien zugunsten der prinzipiellen Duldung – und Förderung – der doppelten Staatsbürgerschaft einstellen. Und man wird versuchen, ein möglichst breites Aktionsbündnis unter Einschluß aller, auch linksextremer Kräfte, zu etablieren.

Wohin die Reise gehen soll, zeigte jüngst der öffentliche Fernsehsender 3Sat. Die journalistische Talk-Runde "Ruge NeunzehnZehn" stand unter dem einprägsamen Motto "Nach dem Hessengau: Rote Karte für die Grünen?" Nun war von Fernsehmoderator Ruge natürlich nicht der mittelalterliche "Hessengau" bei Kassel gemeint, sondern ein offenbar von ihm so empfundener "Größter anzunehmender Unfall" (GAU) durch das hessische Wahlergebnis. Ergänzt wurde dieser Titel, der ein bezeichnendes Licht auf die Parteilichkeit gewisser Journalisten wirft, noch durch die Zusammensetzung der Gesprächsrunde. Unter anderem wurde dem Chefredakteur einer dem linken Narrensaum angehörenden Zeitschrift namens "Konkret" ein Forum geboten. Er wurde von seinen linksbürgerlichen Journalistenkollegen durchaus freundlich empfangen. Im Interesse der gemeinsamen Sache – versteht sich.

"À la française" – so will jetzt auch die linksliberale "Zeit" das deutsche Staatsbürgerrecht – also weg vom Abstammungsprinzip. Daß selbst viele französische Liberale angesichts der Masseneinwanderung in ihrem Land inzwischen lieber das deutsche Recht hätten, wird verschwiegen. Bereits 1991 sprach sich Ex-Präsident Valéry Giscard d’Estaing für die Übernahme des deutschen Einwanderungsrechts und des deutschen "ius soli" in Frankreich aus. Solche Zwischentöne wird man aber in der jetzt anbrechenden rot-grünen Medienkampagne wohl vergeblich suchen.

Doch auch bei den Linken wächst eine – wenn auch verhaltene – Skepsis gegenüber den utopistischen Plänen von Rot-Grün. Auch sie, so Eberhard Seidel-Pielen, spürten längst, "daß auch im grünen Milieu die Skepsis gegenüber der Entwicklung der multikulturellen Gesellschaft wächst, auch hier die Angst vor islamistischer Unterwanderung und ähnlichem verwurzelt ist". Aber zu tief steckt im linken Milieu der 68er noch die Mentalität, daß man sich, frei nach Bertolt Brecht, wenn das Volk nicht richtig spurt, eben ein anderes Volk wählen müsse. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft ist man auf dem besten Weg dorthin.

 
     
     
 
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