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Ungeachtet gelungener Reformen auf den Gebieten Steuern, Gesundheitswesen, Renten und andere Sozialsysteme hat die slowakische Regierung noch nicht alle ihre Hausaufgaben gemacht. So werden nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den zukunftsträchtigen Bildungs- und Wissenschaftsbereich investiert, der ein entsprechendes Schattendasein führt. Auch die Arbeitslosenzahlen geben zur Sorge Anlaß. So haben die OECD und das EU-Statistikamt Eurostat eine Arbeitslosenquote von 18,1 Prozent ermittelt, in absoluten Zahlen 470.000 Arbeitslose. Das sind dreieinhalb Prozentpunkte oder 86.000 Arbeitslose mehr als die vom slowakischen Sozialministerium eingestandenen Zahlen aussagen.
Dabei läßt sich ein starkes Gefälle zwischen der Hauptstadt im Westen und dem Osten des Landes ausmachen. Um Preßburg herum sprießen neue Firmen wie Pilze im Regen aus dem Boden, und die Arbeitslosenquote liegt hier nur knapp über einem Prozent. Im Osten hingegen finden in manchen Regionen mehr als 20 bis 25 Prozent der Einwohner keine Arbeit.
Für zusätzlichen sozialen Sprengstoff sorgen die über 320.000 Zigeuner, die fast ausschließlich im Osten des Landes leben - viele in unwürdigen Verhältnissen. In ihren Siedlungen ist nicht selten nahezu jeder arbeitslos. Die Folge sind massive Diebstähle während der Ernte. Vor allem Kartoffeln sind sehr begehrt, aber auch Kohle ist es. Auch Holz zum Heizen wird zum Winter hin verstärkt entwendet. Nach solchen "Feldzügen" bleiben leere Felder und ausgedünnte Waldteile zurück. Strafanzeigen bis hin zu offen ausgetragenen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und vor allem mit den Einwohnern "von der anderen Seite" sind die Folge.
Doch auch hier hilft wieder die Europäische Union mit vornehmlich deutschen Steuergeldern. So werden beispielsweise mit finanzieller Unterstützung der EU junge Zigeunerinnen als Krankenschwestern ausgebildet; die Polizei bildet Roma zu Polizisten aus; und Kinder werden in den Schulen großzügig versorgt, damit sie die Lust, in die Schule zu gehen, nicht verlieren. Nach 40 Jahren Wegsehen ist die Größe des Problems von der slowakischen Gesellschaft erkannt worden.
Wenn die Deutschen übrigens glauben, bei ihnen wäre die Stimmung am miesesten, so irren sie sich. Die neueste Statistik der zur EU-Administration gehörenden "Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen" besagt, daß von allen Einwohner der 25 EU-Mitgliedsstaaten die größten Pessimisten die Slowaken seien. Peter Zeman / M. R.
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