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Als Gerhard Schröder im Jahre 1989 ins - damals noch Bonner - Kanzleramt einzog, übernahm er einen Bestand von rund vier Millionen Arbeitslosen. Das seien, so verkündeten der Medienkanzler und seine Medienfreunde, „die Arbeitslosen des Herrn Kohl“.
Nun sitzt Herr Schröder im neuen Berliner Kanzleramt - auf der alten Arbeitslosenzahl . Die hatte er anfangs ja nahezu halbieren, mit zunehmender Desillusionierung dann wenigstens um eine halbe Million herunterfahren wollen. Daran wolle er sich und seine Regierungsmannschaft messen lassen, hatte er den Wählern versprochen.
In acht Monaten ist es soweit: So, wie es aussieht, wird Schröder sich daran messen lassen müssen, daß in Deutschland immer noch vier Millionen Menschen ohne Arbeit sind. Keine erfreulichen Aussichten für einen Regierungschef, der auch auf anderen wichtigen Feldern Mißernten aufzuweisen hat, man denke nur an die total verkorkste Gesundheitspolitk, Riesters Rentenchaos oder Eichels zu immer höheren Schuldenbergen führenden „Sparkurs“.
Da könnte der Wähler ja glatt auf die Idee kommen, diese vier Millionen von 2002 seien „die Arbeitslosen des Herrn Schröder“. Das darf nicht sein, sonst nützen all die schönen Koalitionsoptionen mit Grünen, FPD oder PDS auch nichts mehr, zumal es da ja auch noch diesen Bayern mit seiner verdächtig niedrigen Arbeitslosenquote gibt …
Nun waren Sozialisten schon immer besonders findig, wenn es darum ging, in irgendwelche historischen Mottenkisten zu greifen. So auch diesmal: Im verbalen Waffenarsenal Helmut Kohls fand sich das Zauberwort: Erblast!
Erinnern wir uns an die Zeit nach Genschers Koalitionswechsel im Herbst 1982: Wenige Monate später bescherten die Wähler Helmut Kohl das zweithöchste Ergebnis der CDU-Geschichte (48,8 Prozent). Dann kam Enttäuschung auf: Der versprochene Aufschwung zeigte sich ebenso flügellahm wie die „geistig-moralische Wende“. Dem begegneten die Parteistrategen im Bonner Konrad-Adenauer-Haus mit der „sozialdemokratischen Erblast“, die in ihrer wahren Schwere anfangs gar nicht richtig einzuschätzen gewesen sei und leider verhindere, daß die Wahlversprechen auch eingehalten werden.
Nach der Wiedervereinigung war es dann die „sozialistische Erblast“, die jahrelang als Erklärung für alles, was schieflief (einschließlich der eigenen Fehlleistungen), herhalten mußte, aber auch nicht verhindern konnte, daß Kohls CDU im fünften Anlauf schließlich das niedrigste Wahlergenis der Parteigeschichte schaffte (34,2 Prozent).
Offenbar sind die Wähler doch nicht so einfältig, wie Parteipolitiker es gern hätten. Daß politische Erbschaften durchaus eine schwere Belastung darstellen können, lassen sie nur begrenzte Zeit als Entschuldigung gelten. Wem sie - wie der jetzigen Bundesregierung - vier Jahre Zeit geben, die übernommene Erblast abzubauen und Neues, Besseres zu gestalten, von dem erwarten sie am Ende mehr als ein achselzuckendes „Dumm gelaufen“.
Dieses „Wir-hatten-eine-so-schwere-Erblast-zu-übernehmen“, dieses „Die-anderen-sind-an-allem-schuld“, das war schon falsch, als der Kanzler Kohl hieß, und es wird in Schröders geschliffener Rhetorik auch nicht wahrer. Wenn im September 2002 der Wähler über Rot-Grün zu befinden hat, dann wird er genau wissen, um wessen vier Millionen Arbeitslose es sich heute handelt.
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