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Erschütternde Reportagen

 
     
 
Von den Kriegen" lautet der Titel des Buches in dem Carolin Emcke die barbarischen Strukturen der Gewalt dokumentiert. Im Auftrag des Spiegel bereiste die Journalistin von 1999 bis 2003 Südosteuropa, Palästina, Vorderasien und Lateinamerika. Dem Buch liegen E-Mails zugrunde, die Emcke Freunden sandte, um ihre jeweiligen Erfahrungen zu schildern. Das eigentliche Ziel, die Struktur des Krieges aufzuklären, erreicht die Autorin jedoch nur partiell. Es fehlt der analytische Zugriff; das Buch zerfasert in journalistische Berichte, Kommentare, bruchstückhafte Reflexionen. Als "Lohn" der bröseligen Kauarbeit erwarten den Leser detailreiche, gut verfaßte, oft erschütternde Reportagen.

Einfühlsam begutachtet Emcke die psychische
n Traumata der Kriegsopfer. Erzählt wird "von Wut, die immer wieder auflebt, von Verwundung, die nicht heilen will". Im Kosovo erlebte sie die furchtbare Kriegsmühle. "Ich konnte mir eine Welt nicht vorstellen, in der Hunde mit menschlichen Gliedmaßen im Maul durch die Straßen traben." Oft wurde sie gefragt, wie das Erlebte zu verarbeiten sei. "Die Antwort lautet: Gar nicht." Inmitten des Schreckens entdeckte sie auch Gesten der Menschlichkeit, ebenso scheinbar normales Leben.

Längst dominieren die Kosovo-Albaner, vormals Opfer der Serben, unter dem Schirm von Kfor-Truppen und UN das Kosovo, "während die Serben heute in Ghettos dahinvegetieren". Apartheid kennzeichne dieses Land; demokratische Strukturen fehlen. In "multiethnischen" Staaten drohe die Gefahr der Sezession. So wurde der Besuch des Kosovo zu einer "Reise der Enttäuschungen", betont Emcke, ohne die notwendige Analyse vorzunehmen. Ist das Engagement der Kfor gescheitert? Wie soll und kann es weitergehen?

Afghanistan werde von Banden beherrscht, die auf andere Art den Terror der Taliban fortsetzen. Leider fragt Emcke nicht, ob die Probleme solcher Länder überhaupt von außen zu lösen sind. Verlief der Eingriff der Nato hier ebenfalls im Sand?

Die Autorin vergißt menschliches Leid kriegsfreier Gebiete nicht, recherchiert in Rumänien, Palästina, Nicaragua, Kolumbien, bei nordirakischen Kurden, arbeitet zufällig am 11. September 2001 direkt vor Ort. Bilder des Krieges, der Armut und Ausbeutung sehen einander zum Verwechseln ähnlich. Wo das Elend die Menschen quält, entdeckt sie "Aasgeier auf dem Schlachtfeld globaler Verzweiflung". Hierzu gehören rumänische Kinderhändler ebenso wie Profiteure, die Regenwälder abholzen oder mit Drogen handeln.

Caroline Emcke will Opfern von Gewalt und Elend beistehen, ein "Gefühl der Trauer" vermitteln. Letzteres gelingt ihr zwar, aber die Darstellung grausamer Verhältnisse genügt nicht, zumal vieles nicht prinzipiell neu ist. Am Ende bleibt sie ratlos und resigniert. R. Helfert

Caroline Emcke: "Von den Kriegen - Briefe an Freunde", Fischer, Frankfurt 2004, 315 Seiten, 18,90 Euro
 
     
     
 
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