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Nun hat es also auch "Europa" erwischt: Der Gipfel von Göteborg, der die schwedische Ratspräsidentschaft glanzvoll beenden sollte, geriet zur Chaos-Veranstaltung. Gewalttätige Reisekader fielen in die Stadt ein, zertrümmerten Banken und Geschäfte, setzten Autos und Barrikaden in Brand, warfen Pflastersteine auf Polizist en, die offensichtlich auf solche Haßausbrüche überhaupt nicht vorbereitet waren, zunächst hilflos mit "Deeskalation" und dann mit scharfen Schüssen reagierten.
An vorderster Front eine Gruppe von 250 bis 300 deutschen "Gewalttouristen", die in acht Bussen mitsamt ihrer martialischen Ausrüstung ungehindert angereist waren. Viele von ihnen kennt man, sie sind immer dabei, wenn es Krawall gibt: in Gorleben, wenn Castor kommt, in Kreuzberg, wenn der Mai kommt, und natürlich überall da, wohin "Nazis" kommen, gegen die man als anständiger Antifaschist ja "demonstrieren" muß.
Wogegen sie in Göteborg "demonstrierten", war nicht genau zu erkennen. Vielleicht gegen die Globalisierung, vielleicht auch gegen Berlusconi, vielleicht gegen die EU an sich oder gegen diesen Gipfel als solchen oder auch gegen "Polizeigewalt", wie ein Transparent verkündete, bevor auch nur ein Polizist eingegriffen hätte.
Die breite Masse der Berichterstatter hinderte solche Un-gewißheit aber nicht, die wilde Chaostruppe unverdrossen als "Demonstranten" zu verharmlosen. Natürlich wurde Kritik geübt an "unfriedlichen Demonstrationsformen", zumal ja nicht nur den Regierungsdelegationen, sondern auch den vor Ort akkreditierten Journalisten zeitweise der freie Zugang zu Hotels und Restaurants verwehrt war bei aller Sympathie, aber das geht zu weit!
Eine sich eigentlich aufzwingende Formulierung suchte man in all den Nachbetrachtungen zum Gipfel vergebens: "linke Gewalt". Dabei kann es doch nicht den geringsten Zweifel geben, aus welchem ideologischen Lager sich diese "Putztruppe" rekrutiert. Soweit reicht also schon die politisch korrekte Sprachregelung: Gewalt ist grundsätzlich "rechte Gewalt" ist sie nicht "rechts", handelt es sich demzufolge auch nicht wirklich um Gewalt, sondern um eine etwas ausgeartete "Demonstration".
Der Marburger Sozialpsychologe Prof. Wagner hat im Falle Göteborg den Schuldigen schon ausgemacht: den Staat, der ein "Bedrohungspotential" erzeuge, und Polizeibeamte, die "prügelnd und drohend auftreten". Beobachtern, die sich etwas näher am Geschehen aufhielten, fiel allerdings auf, daß es gerade die Deeskalationstaktik der krawall-unerfahrenen schwedischen Sicherheitskräfte war, die den ungehinderten Aufmarsch der "Chaotischen Internationale" erst ermöglichte als die Polizei begann, ein "Bedrohungspotential" aufzubauen, war es längst zu spät.
So endete die schwedische Ratspräsidentschaft mit einem Gipfel, wie sie ihn nicht verdient hatte: draußen Chaos, drinnen Katzenjammer wegen der Unbotmäßigkeit irischer Wähler. In Erinnerung bleiben sollte aber auch, daß Stockholm sich in lobenswer-ter Weise in Fragen engagiert hat, die eigentlich Sache einer deutschen Regierung sein sollten. Zum Beispiel die Frage nach der Zukunft Ostdeutschlands.Nina Schulte
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