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Familie ist da, wo Kinder sind. So lautete jahrelang der familienpolitische Slogan der SPD. Jetzt haben die Sozialdemokraten auch die dazugehörigen Eltern entdeckt. Im Leitantrag zum SPD-Parteitag im November, den das Präsidium jetzt verabschiedete, wird nüchtern die Kernfamilie als dauerhafte und stabile Lebensform in den Mittelpunkt der Überlegungen und künftigen Maßnahmen gestellt. Das ist eine Wende.
Wir machen eine kleine Revolution. Bei Brecht haftet dem Spruch ein Hauch von Spießigkeit an. Davon ist auch die SPD nicht frei. Aber sie hat offensichtlich erkannt und sagt es auch in der Analyse, daß für mehr als zwei Drittel der Deutschen die Lebensform Familie auch Lebenswunsch ist. Diese Einsicht ist der erste Weg zur Erhaltung der Macht. Diesen Wunsch zu erfüllen aber ist eine andere Sache. Mit dreißig Mark mehr Kindergeld, die wegen der Ökosteuer an der nächsten Zapfsäule verschluckt oder über die Mehrwertsteuer den Weg zurück ins Staatssäckel finden, ist dieser Wunsch heute nicht mehr zu realisieren. Folgerichtig wird die Realisierbarkeit erst mal auf die lange Bank geschoben. Sie soll in der nächsten Legislaturperiode geprüft werden. Spätestens dann wird man feststellen, daß noch viel ideologisches Gerümpel auf dem Weg zu einer neuen Familienpolitik liegt. Zum Beispiel, daß steuerliche Abzugsmöglichkeiten für die Kosten der Kinderbetreuung nur bei Erwerbsberufen beider Elternteile oder bei Alleinerziehenden vorgesehen sind. Der Beruf Hausfrau und Mutter wird ausgeklammert, ein grober Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, der vor dem Bundesverfassungsgericht auch keinen Bestand haben wird. Oder die Weigerung der Regierung, den Mindestbedarf, den die Caritas auf ca. 1000 Mark pro Kind schätzt, auch für Familien mit mehr als zwei Kindern abzusichern. Es kommt ja nicht wie ein Blitz aus dem Himmel, daß jedes fünfte Kind von der Sozialhilfe lebt.
Dennoch ist die Wende im Denken der SPD bemerkenswert. Sie pflügt die Parteien- und Wahlkampflandschaft um. Eine Art Rochade ist zu beobachten. Während die Unionsparteien eher bemüht sind, sich vom traditionellen Ehe- und Familienbild abzusetzen auch CSU-Chef Stoiber scheint sich von der Frauenriege in der Union zurückpfeifen und, statt auf Leistungsgerechtigkeit und Wahlfreiheit zu setzen, den Verfechtern der puren Vereinbarkeit von Familie und Beruf freien Lauf zu lassen , geht die SPD wieder auf die Familien zu und schlägt damit der Union das entscheidende Wahlargument aus der Hand. Die SPD überholt die Union in der Mitte. Noch ist das Überholmanöver nicht beendet. Aber im Moment hantiert sie familienpolitisch an der Kupplung und streitet um den Platz am Steuer. Sie fällt zurück, obwohl die Gesamtlage für sie eher günstig ist Konjunkturschwächen, Inflation, chaotische Außen- und Sicherheitspolitik. Aber dieses Denken ist wohl auch eine Form von Spießigkeit. Allerdings ohne kleine Revolution.
Die familienpolitische Schläfrigkeit der Union ist umso erstaunlicher, als auch die Grünen die Familie als strategische Größe entdeckt haben. Nachdem Rotgrün die "Homo-Ehe" weitgehend durchgesetzt, diese Randgruppen-Klientel somit bedient hat und die Länder, selbst CDU-regierte, daran gehen, das Gesetz umzusetzen, besinnen sich die Regierungsparteien jetzt auf die Mitte, mithin auf die Familie. Und zwar mit Vorschlägen, die gedanklich und finanziell über das Familiengeld der Union hinausgehen, etwa die "Elternzeit mit Lohnersatz" im SPD-Papier.
Die klassische Form der Familie sei eben "beständiger als vermutet". Darin schwingt auch das Eingeständnis eines Irrtums mit, hinter dem man freilich auch die demographischen Zahlen und Zwänge vermuten darf. Trotzdem, die Familie kann sich darüber freuen. Noch schöner wäre es, wenn die Union aufwachte und familienpolitisch weiterdächte. Mehr Wettbewerb, mehr Ideen das ist in der Familienpolitik dringender angesagt als in anderen Bereichen. Denn die Familie ist das Fundament, für die Zukunft aber natürlich auch schon für die Wahlkampfstrategen im nächsten Jahr. Maria Klausner
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