|
Die Fastnacht ist ein ur- alter Brauch und kommt aus dem Mittelhochdeutschen von vasenaht = Unfug! Sie geht bis in die altgermanisch-heidnische Zeit zurück. Bereits unsere Vorfahren die heidnischen Galinder haben sie als Frühlingsfest in Masuren gefeiert. Endlich nach dem langen Winter erwachte wieder die Natur.
Die Fastnacht, die einen Tag vor Aschermittwoch, also vor der 40tägigen Fastenzeit liegt, beging man seit frühester Zeit mit üppigen Fastnachtsessen, Gelagen, Frohsinn, Tänzen und Maskeraden, obgleich im evangelischen Masuren die kirchliche Fastenzeit seit 1525 abgeschafft war.
Fastnacht oder Fasching wurde bei uns in Kreuzofen im Gegensatz zu Westdeutschland oder Süddeutschland nur am Fastnachtsdienstag gefeiert. Wir Schulkinder wollten an diesem Tage keinen Schulunterricht haben. Deshalb schrieben wir gleich morgens an die große Schultafel im Klassenzimmer: "Fastnacht, Fastnacht feiert jedes Jahr, sogar die Katze und die Maus. Der Herr Lehrer ist ein feiner Mann, der uns heute schulfrei geben kann!" Die Lehrer waren so einsichtig und schickten uns nach einer Märchenstunde nach Hause, damit auch wir das Überstehen des Winters und die Auferstehung des Frühlings feiern konnten.
Wir gingen mit fröhlichen Liedern auf den Lippen durchs Dorf nach Hause. Da meistens im Februar bei uns in Masuren Schnee lag, wurde auf der Straße eine tüchtige Schneeballschlacht veranstaltet.
Die Erwachsenen gingen am Fastnachtsdienstag, wie jeden Alltag, ihrer gewohnten Arbeit nach. Erst am Abend traf man sich mit Verwandten und Bekannten in den Häusern, um zu feiern. Die Jugendlichen fanden sich am Abend in der Gaststätte Lipka ein, um dort zu essen und zu trinken. Natürlich ging es dort feucht-fröhlich her. Doch bei dem reichlichen Essen ließ sich ein Schnaps oder Bier mehr als sonst vertragen!
Zum Fastnachts-Mittagessen stellte meine Mutter einen ordentlichen Teller gebratene Kartoffelflinsen aus geriebenen rohen Kartoffeln auf den Tisch, in die einige Eier hineingeschlagen wurden. Wir Kinder aßen sie mit bestreutem Zucker (Farin) oder mit Preiselbeer-Kompott. Dazu gab es zur Feier des Tages Kakao zu trinken.
Den ersten Pfannkuchen, den meine Mutter backte, bekam das Kind, das nach ihrer Ansicht im letzten Jahr am artigsten war. Somit war das eine gewisse mütterliche Auszeichnung! Der Betreffende konnte den Flinsen sofort verspeisen, während die anderen zuschauen mußten. Falls wir uns an den Flinsen nicht satt gegessen hatten, weil wir draußen im Schnee getobt hatten und hungrig waren, gab es zusätzlich noch in heißem Schmalz gebackene Krapfen, Berliner (Puntschki/Pummelki) und Raderkuchen. Bei uns im Dorf backten die Hausfrauen zu Fastnacht die sogenannten "Pfeffernuski" aus Weizenmehl, Eiern, Butter, Zucker und Pastinaken. Der Teig wurde in Stangen ausgerollt und in kleine viereckige Stücke von etwa drei bis vier Zentimetern geschnitten. Diese Stückchen wurden auf Bleche gegeben und im Backofen knusprig gebacken. Anschließend wurden sie in Zuckerwasser getaucht oder mit Puderzucker bestreut und abgelagert. Diese "Pfeffernuski" backte man in großen Mengen von bis zu 500 Stück. Sie wurden in Weidenkörben aufbewahrt und schmeckten nicht nur ausgezeichnet, sondern sättigten auch. Sie waren von einer festen Dichte und wurden von uns Kindern gern gegessen.
Die Pastinake oder auch Hammelmöhre ist ein aus der Antike bekanntes und kultiviertes Wurzelgemüse, das heute selten ist. Seine weißlichgelben Rüben haben einen höheren Zuckergehalt als Mohrrüben/Möhren und schmecken strenger. Die Pastinake ist ein überaus schmackhaftes Gemüse und duftet nach Möhre. Sie findet Verwendung als Wurzelgemüse in Suppen und Salaten. Die Wurzel ist etwa 40 Zentimeter lang, kann bis 1500 Gramm wiegen und ist ein durchaus schmackhaftes Gemüse.
Die Raderkuchen waren Teilchen aus einem ausgerollten Teig. Der Teig ist in etwa zehn Zentimeter lange und etwa drei Zentimeter breite Streifen geschnitten und in der Mitte mit einem Längsschnitt, durch den die Hälfte des Teilchens durchgezogen wurde, versehen worden. Das Gebäck wurde in Schmalz oder Palmin goldbraun gebacken, mit einem Schaumlöffel auf einen Durchschlag zum Abtropfen gelegt und anschließend mit Puderzucker bestreut. Für meinen Vater backte Mutter am Fastnachtsdienstag einen Mohnstriezel mit einer besonders dicken Mohnfüllung mit Rosinen.
Abends feierten meine Eltern mit Verwandten und Bekannten im Hause die Fastnacht. Mutter hatte am Tage reichlich Plötze, Barsch, Hecht und Zander gebraten, die sie mit trockenem Schwarzbrot, Butter und Schmalzgebäck auf den Tisch stellte. Vater spendierte dazu einige Flaschen Bärenfang, Bier und Zigarren.
Nachdem die Gäste am Tisch Platz genommen hatten, führten wir Kinder am warmen Kachelofen Spiele mit Masken und Kostümen vor, indem wir vor den Kachelofen auf einer Schnur ein weißes Laken spannten. Dahinter konnten wir uns besser auf unsere Vorführung vorbereiten. Unsere Darbietungen sind bei den Erwachsenen immer gut angekommen und entsprechend beklatscht worden.
Es hieß bei uns, daß Träume, die man in der Fastnacht hatte, in Erfüllung gingen. An diesem Tag durften die Frauen nicht die Spinnräder bedienen und nicht Wasser vom Brunnen oder der Pumpe holen. Das Wasser spielte am Fastnachtsdienstag eine große Rolle. Die Knechte bespritzten die Mägde mit Brunnenwasser, weil sie an diesem Tag kein Wasser vom Brunnen holen durften. Um Mitternacht der Fastnacht verbrannten die Jünglinge im Dorf das Erbsenstroh, mit dem der Bär zu Silvester verkleidet und an einer Kette von Haus zu Haus geführt wurde. Denn bei uns in Masuren galten Hülsengerichte und Hülsenfruchtbrei als klassische Fastenspeisen.
|
|