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Finger weg

 
     
 
Ein grüner Trabbi und ein roter VW-Käfer leuchten vom Umschlag des Buches "Deutschland, Deutschland - Kurze Geschichte einer geteilten Nation". Vom Umschlag und Titel auf eine bestimmte Erwartungshaltung eingeschworen, stolpert der Leser hart in den Text des Buches hinein: "13 Minuten, die der Welt gestohlen wurden." Claus Christian Malzahn wählt zugegeben einen sehr ungewöhnlichen, aber interessanten Einstieg, um auf das Thema Ost-West-Teilung Deutschlands
hinzuführen. Warum also nun 13 Minuten? Dies ist die Zeit die Hitler 1939 zu früh den Münchner Bürgerbräukeller wegen Nebels am Flughafen verlassen hat. Wäre er besagte 13 Minuten länger geblieben, wäre er bei der Bombenexplosion ums Leben gekommen und die Geschichte wäre anders verlaufen. Als Folge davon wechselt der "Spiegel"-Redakteur Malzahn den Schauplatz: Weimar, 16. April 1945, die 22jährige Studentin Gisela H. aus Weimar findet sich, wie von den Amerikanern gefordert, mit zahlreichen anderen Bewohnern der Stadt am Bahnhof ein. Auf dem Plan steht eine Exkursion - ins nahegelegene Konzentrationslager Buchenwald. Leichenberge anschauen.

Von da an schlägt der Autor verbal ein wenig auf die Weimarer ein, die von nichts gewußt haben wollen und die sich lieber mit Goethe als mit Buchenwald identifizieren wollen. Auch auf Adenauers Politik wird eingedroschen. Zwar wäre ja nicht alles schlecht gewesen, was der CDU-Politiker gemacht habe, nur hätte er mehr die eigene Schuld aufarbeiten sollen, statt zu verdrängen und sich an den Wiederaufbau zu machen. Zwar weist der 1969 geborene Verfasser zu Recht darauf hin, daß "in mentaler Hinsicht" "das Deutschland der 50er Jahre ein in der Mitte geteiltes Irrenhaus" gewesen ist, und "Adenauer und Ulbricht waren die Chefärzte - mit durchaus unterschiedlichen Methoden: Adenauer verschrieb gegen die NS-Zeit großzügig Valium, Ulbricht verabreichte grinsend Elektroschocks", doch sein Mitgefühl für die Traumatisierten hält sich in Grenzen.

Beschwingt und dabei etwas flapsig zieht der Autor weiter durch die nahe deutsche Vergangenheit, läßt mal kurz nebenbei einfließen, daß bei Flucht und Vertreibung gar nicht zwei Millionen Deutsche, sondern nur mehrere hunderttausend - wo hat er diese Behauptung her? - ums Leben gekommen seien, und macht sich an die Nationalhymne. Ordnungsgemäß schildert er den Streit zwischen Adenauer und Heuß, um dann am Ende noch mal darauf hinzuweisen, daß er die dritte Strophe ja gerade noch für tragbar halte, die ersten beiden sich aber so modern ausnähmen, "wie ein Lehrer mit Rohrstock".

Flott schreitet Malzahn weiter zu den Mauertoten, stellt Konrad Adenauer Kurt Schumacher und Walter Ulbricht gegenüber, wobei immerhin herauskommt, daß Ul-bricht kein netter Mann war, schließlich habe es unter ihm bei einem Witz schon mal schnell "ein Ticket für Bautzen" gegeben. Dann kommen RAF, Rudi Dutschke, Gewerkschaften, Wirtschaftsentwick-lung, frustrierte "Ossis" und dann irgendwann der Mauerfall.

Von dort fliegt Malzahn dem Ende (des Buches) entgegen. "Vom Arbeiter- und Bauernstaat blieb nicht viel übrig ... Selbst die PDS ist trotz ihres (n)ostalgischen Programms ein Produkt des neuen Deutschlands: Meinungsfreiheit, faire Wahlen und demokratischen Wettbewerb hat es in der SPD erst gegeben, als die Sache mit dem Sozialismus längst gelaufen war. Anders ausgedrückt: Ohne Konrad Adenauers weise Voraussicht, daß die deutsche Einheit in europäischer Freiheit vollendet werden müsse, wäre Gregor Gysi nie Talkshow-König geworden."

Warum diesem Buch in derein so breiter Raum geschenkt wird? Weil fast durchweg alle großen Zeitungen dieses Buch besonders der jungen Generation empfohlen haben, die die Geschichte ihres Landes in unterhaltsamer Form präsentiert bekommen möchte. Na danke! Fritz Hegelmann

Claus Christian Malzahn: "Deutschland, Deutschland - Kurze Geschichte einer geteilten Nation", dtv, München 2005, broschiert, 218 Seiten, 14 Euro
 
     
     
 
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