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Sie war Musterschülerin auf dem katholischen Stift. Fleißig, wie sie war, wollte sie so schnell wie möglich ihr Abitur machen, doch merkwürdigerweise fehlt ihr der nötige Ariernachweis. Erst als Margot Schmidt ihre Mutter darauf anspricht, erkennt sie an deren Reaktion, daß da etwas nicht stimmt. Mitten in der Regierungszeit der Nationalsozialist en erfährt die Tochter einer alleinerziehenden Karrierefrau in den 30er und 40er Jahren in Berlin, daß sie sehr wohl einen Vater hat. Ihr Großonkel Hermann ist aber nicht nur ihr Vater, er macht die überzeugte Katholikin Margot mit seiner jüdischen Abstammung nach den Rassege-setzen der Nationalsozialisten über Nacht zu einem Menschen zweiter Klasse.
Einfühlsam erzählt Margot Schmidt in "Durchgestanden" ihre Erfahrungen in der Zeit des NS-Regimes sowie des Zweiten Weltkrieges unter der Belastung, halbarischer Abstammung zu sein. Hierbei beabsichtigt sie allerdings keinesfalls eine Verurteilung der Deutschen.
Voller Energie verteidigt sie die meisten Deutschen, nennt Beispiele von Solidarität und Hilfe gegen-über der jüdischen Bevölkerung. Anhand vielfältiger Quellen zeigt sie Verständnis für das deutsche Verhalten. So zitiert sie beispielsweise den jüdischen Violinisten Yehudi Menuhin: "Und was in Deutschland mit den Juden passiert sei, könnte in jedem Volk geschehen. Man gebe nur einem Verbrecher die Macht, die er dann rigoros gebraucht, daß sich niemand mehr wehren kann." Von dieser Macht schreibt sie.
"Durchgestanden" ist im Grunde kein biographisches, sondern ein politisches Buch. Margot Schmidt unterstützt nur mit Hilfe ihrer eigenen Erlebnisse ihre These, daß man nicht von einem deutschen "Tätervolk" reden könne. Kaum einer habe etwas von den Vernichtungslagern gewußt, so hätten ihr Halbbruder Leo und seine Frau ohne allzu großen Befürchtungen ihrer Inhaftierung in Theresienstadt entgegengesehen. Sie dachten, Hitler wolle die Juden nur als billige Arbeitskräfte im Krieg ausnutzen.
Besonders die Haltung von Papst Pius XII. zum NS-Regime liegt der Autorin sehr am Herzen. Ihn verteidigt sie wie eine angeschossene Löwin. Während sie den Heiligen Vater entlastet, belastet sie die Alliierten. Anhand von US-amerikanischen Dokumenten zeigt sie auf, daß die Alliierten schon viel früher als behauptet von den Vernichtungslagern gewußt hätten, aber aus taktischen Gründen lieber schwiegen. Nicht das deutsche Volk, sondern die Führer der Alliierten hätten sich in ihren Augen an den Juden versündigt.
Margot Schmidts im Detail unemotionale Aufzeichnungen sind im ganzen ein beherzter, auf logische Argumente aufgebauter Kampf einer zufällig halbjüdischen Deutschen für die Ehre ihres Volkes. Fritz Hegelmann
Margot Schmidt: "Durchgestanden - Menschliches und Unmenschliches. Meine Erlebnisse unter den Rassegesetzen", Resch Verlag, Gräfelfing 2003, geb., 224 Seiten, 12,90 Euro
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