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Begegnungen - so lautet der unprätentiös-bescheidene Titel, den Joachim Fest seinem neuen Buch gegeben hat. Fest zitiert am Anfang seines grandiosen Buches einen Freund aus Palermo mit den Worten, daß die Jahre all das, was gewesen sei, unerbittlich auslöschten. "Dieses Auslöschen für einige Zeit hinauszuzögern ist der Vorsatz dieses Buches", so beschreibt der ehemalige Herausgeber der FAZ eingangs sein Vorhaben. Dieses Vorhaben ist mehr als geglückt. Dem Autor gelingen meisterhafte Studien seiner Freunde und Weggefährten, so zum Beispiel über den seit einiger Zeit wieder sehr populären Sebastian Haffner, die zum Besten gehört, was je über diesen streitlustigen und stets anregenden Publizisten geschrieben wurde. Haffners Leben war voller Widersprüche. Er emigrierte nach England, kehrte als kalter Krieger zurück, machte in den 60er Jahren einen unglaublichen Schwenk nach links, schrieb anschließend wunderbare Bücher über die Zeitgeschichte und verrannte sich gegen Ende seines Lebens mit unbegründeten Attacken gegen die deutsche Einheit. Haffner war vor allem Künstler, vielleicht auch historischer Schriftsteller, aber mit Sicherheit kein nüchterner Fachhistoriker. Fest bringt Haffners Leben auf die plausible Formel: "Im Blick aufs Ganze gleicht das Leben Haffners einem Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen." Der Autor der "Anmerkungen zu Hitler", der vor dem Diktator ins britische Exil geflohen war, litt selbst an der typisch deutschen "Labilität", die ihn mal nach links und mal nach rechts schwanken ließ.
Vielleicht das beste Stück des ganzen Buches ist aber Johannes Gross gewidmet. Einigen ist Gross als immer aufgeräumt wirkender Gast und Moderator von Gesprächsrunden im Fernsehen, als scharfer Aphoristiker in der FAZ oder als Macher auflagenstarker Magazine in Erinnerung geblieben. Fest beschreibt die hinter der aufgeräumten Fröhlichkeit lauernde Depression, unter der Gross zu leiden hatte und die er zum Beispiel mit Kaufattacken betäubte. Interessant sind vor allem die persönlichen Anekdoten, die Fest über Gross zu berichten weiß. So führte Gross, der der Kleine-Leute-Literatur eines Böll oder Grass nichts abgewinnen konnte, einen exakt ausgemessenen Lederkoffer mit der sechzehnbändigen Inselausgabe der Werke Goethes mit sich, um sich auf Reisen an dem Meister gütlich zu tun. Mit Genuß bekämpfte Gross die "Hausdämonen", die ihn bisweilen heimsuchten. Gross wurde schnell vergessen, da der in Deutschland herrschende provinzielle Geist seine Probleme mit ihm hatte: "Der herrschende Egalitarismus wußte mit soviel heiterer Überlegenheit nichts anzufangen."
Bei allen kritischen Tönen bleibt der Gentleman Joachim Fest stets fair, selbst gegenüber der späteren Terroristin Ulrike Meinhof, die er während seiner Zeit beim Norddeutschen Rundfunk kennenlernte. Dies gilt auch für die Porträts von Dolf Sternberger, Arnulf Baring, Hannah Arendt, Golo Mann oder Rudolf Augstein.
Joachim Fest: "Begegnungen - Über nahe und ferne Freunde", Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2004, 383 Seiten, 19,90 Euro |
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