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Die erschütternden Berichte über das Schicksal der 37 Männer, die sich mitten im Mittelmeer vor unseren Augen von Ghanaern in Sudanesen und zurück verwandelten, haben wir eben verdaut, da wartet der Bundesinnenminister mit dem nächsten Hammer hinter der Hausecke: Schily will afrikanische Asylbewerber in nordafrikanische n Sammellagern festhalten, wo EU-Beamte ihre Anträge prüfen. Die Menschen sind entsetzt, nur die gierigen Medien freuen sich über die kommenden Schlagzeilen, denn wir wissen, schon bevor das erste Lager überhaupt eröffnet ist, daß die "Zustände dort unhaltbar sind", selbst wenn es zugehen sollte wie in einem Mittelklasse-Ferienclub "all inclusive". International operierende Menschenrechtsgruppen werden uns darin unterstützen, indem sie "Schilys Guantánamo" entlarven und düster "auf die Lehren aus unserer Geschichte" verweisen. Das zieht immer und eignet sich fabelhaft als Appetithappen für die kommenden Weihnachtslichterketten.
Neben einigen wenigen Profiteuren der Lager-Pläne wird es jedoch Opfer geben, viele Opfer. Über 90 Prozent der Flüchtlinge sind - gemessen an der Anerkennungsquote für Asylanten - eher vor der miesen Bezahlung daheim oder den Zumutungen der buckligen Verwandtschaft geflohen als vor politischer Verfolgung. Die dürften Schilys Mittelmeerlager durch dieselben Tür wieder verlassen müssen, durch die sie gekommen waren. Der daraus resultierende, dramatische Rückgang der Asylbewerberzufuhr könnte in weiten Teilen unserer Gesellschaft zu schweren Verwerfungen führen. Gewachsene Strukturen sind in Gefahr.
Was soll aus den vielen kleinen Flüchtlingshilfegruppen in unseren Städten und Gemeinden werden, die so vielen Deutschen nach einem anstrengenden Arbeitstag zu ein wenig Weltschmerz und Lebensziel verholfen haben, wenn kaum noch Flüchtlinge nachkommen? Sollen die doch was anderes machen, möchte man einwenden. Aber was denn? Umweltschutz? Na! Zum Fototermin mit Frosch kommt bereits seit 20 Jahren kein Reporter mehr vorbei. Und ohne öffentliche Aufmerksamkeit ist "Engagement" wertlos, wie sogar Cap-Anamur-Chef Bierdel erkannt hat. Der muß es wissen.
Selbst der heimische Arbeitsmarkt könnte in Mitleidenschaft gezogen werden durch Schilys schummrige Lagerphantasien. Verlieren die hauptberuflichen Flüchtlingsbeauftragten unserer Kommunen wegen Klientenschwunds gar ihren Job? Zudem: Womit sollen all die Anwälte ihr Brot verdienen, die auf dem jahrelangen Asyl-Instanzenweg zu Haus, Hof und höherer Moral gekommen sind? Der Branche geht s eh schon lange nicht mehr so rosig, wie unsereins immer noch glauben mag.
Doch als hätten sie das drohende Fiasko geahnt, haben unsere Politiker von langer Hand Ersatz geschaffen, durch den Anwälte wie Flüchtlingskämpfer ein neues, wahrscheinlich noch viel prächtigeres Betätigungsfeld finden werden. Den Geniestreich tauften sie ganz kuschelig "Antidiskriminierungsgesetz". Klingt nach dem üblichen moralischen Appell-Gedöns wie "seid nett zueinander" in Gesetzesform. Doch weit gefehlt! Das Ding hat es in sich: Laut zweier EU-Verordnungen aus dem Jahre 2000, deren letzte spätestens Ende 2005 deutsches Recht werden muß, ist es nicht nur dem Staat, sondern allen Bürgern verboten, Menschen wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, wegen ihres Geschlechts oder Alters, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer sexuellen Ausrichtung oder einer Behinderung weniger gut zu behandeln als andere.
Bei Neueinstellungen gilt also fortan: Hat ein Arbeitgeber unter zehn Bewerbern für eine Stelle einen ausgesucht, haben alle neun übrigen das Recht, sich "diskriminiert" zu fühlen, weil sie der Meinung sind, nicht wegen minderer Qualifikation ausgesondert worden zu sein, sondern weil sie dem Chef zu evangelisch oder zu katholisch, zu klein (Behinderung?) oder zu groß (dito), zu bayerisch oder zu preußisch, zu schwarz oder zu weiß zu homo- oder zu heterosexuell, zu frau oder zu mann sind oder schlicht politisch zu links oder zu ... zu rechts? Nun ja, wenigstens dürfte uns "rechts" als Ablehnungsgrund zugestanden werden. Man soll es nicht übertreiben.
Wer eingestellt wird, entscheidet dann nicht mehr der Arbeitgeber, sondern die Gerichte - wenn der Kläger will, durch alle Instanzen auf jahrelangem Klageweg. Für die Anwälte ist gesorgt. Ebenso für Asyl- initiativen und "Antidiskriminierungsbeauftragte" in Legion, die ihre Nachbarschaft nach Fällen von Diskriminierung abgrasen. Arbeitgeber können sich dem Zugriff ja entziehen, indem sie einfach niemanden mehr einstellen. Den schäbigen Nachbarn hingegen haben wir so gut wie im Netz, denn das Spektrum der infrage kommenden Verstöße ist dermaßen breit, daß eigentlich jeder praktisch überführt ist.
Schließlich diskriminiert der gewöhnliche Normalbürger Tag für Tag irgendwen, ohne es zu merken. Sie ziehen die Küche jenes Landes der eines anderen vor oder äußern sich gar öffentlich distanziert über bestimmte Religionen oder Weltanschauungen. Alles Diskriminierer, denen wir bald saftig zu Leibe rücken können. Das ist auch politisch hilfreich, denn seit vielen Jahren (in großen Teilen der Bundesrepublik sogar seit Jahrzehnten) hatten wir nicht mehr solch umfassende Möglichkeiten, dem Meinungswirrwarr in Deutschland Einhalt zu gebieten.
Sicher, im Grunde tun wir das ja schon eine ganze Weile und haben die Palette der öffentlich äußerbaren Positionen schon nachhaltig verschlankt. Doch den häßlichen Kerl von Gegenüber immer nur öffentlich anzuschwärzen hat uns nicht wirklich befriedigt, wenn wir ehrlich sind. Ab Ende kommenden Jahres können wir ihn als Diskriminierer enttarnen und womöglich in den Knast bringen. Es wird ein Fest!
Ihnen wird mulmig? Vielleicht, weil Sie neulich auf Döner Kebap geschimpft, den vietnamesischen Gemüseladen kritisiert, die Sachsen veräppelt oder einen staubig-schmierigen Herrenwitz erzählt haben? Nur die Ruhe, noch ist das Gesetz ja nicht in Kraft. Und für die Zeit ab Ende 2005 gibt es ein todsicheres Rezept, das den Deutschen seit Inquisition, Demagogenverfolgung, NS und DDR geläufig ist: Klappehalten rettet! Und das gute alte Auswendiglernen. Denn künftig müssen Sie die Texte aus der Tagesschau schon wortgetreu wiedergeben, wenn es um Politik geht. Sonst rutscht Ihnen da noch was raus, und der neidische Typ von nebenan darf leise durch die Gardine feixen, wenn sie Sie holen kommen.
"Mensch Leute! Es ist eine Ehre, darauf platzzunehmen!"
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