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Gerhard Schröder: Die denkwürdige Geschichte einer beruflichen Karriere

 
     
 
In feierlicher Stimmung beglückwünschten sich am 13. April im Deutschen Bundestag die Vertreter aller Fraktionen, daß es gelungen sei, zehn Milliarden DM – davon fünf Milliarden unmittelbare Steuergelder und weitere etwa zweieinhalb Milliarden DM Steuergelder über Abschreibungen – an den Mann zu bringen. Vergessen waren alle Aussagen, daß die Bundesregierung und die Wirtschaft überhaupt keinen Beitrag leisten werden oder "höchstens" so und so viel. Vergessen, wie die "letzten Angebote" von Otto Graf Lambsdorff fielen, des nun gefeierten Regierungsbeauftragten, der, offensichtlich überfordert, an seinen Verhandlungspartnern gescheitert ist. Vergessen, daß man die bisher kassierten persönlichen Wiedergutmachung
en an ehemaligen "Sklavenarbeitern" in Form von Renten oder Pauschalzahlungen aufrechnen wollte, um die nichtjüdischen "Sklavenarbeiter nicht zu diskriminieren" und man bei einer Lösung gelandet ist, in der die nichtjüdischen Arbeiter lediglich 15 000 DM bekommen sollen, während die Summe der Rentenbezüge aufgrund früherer Entschädigungs- und Wiedergutmachungsgesetze im Durchschnitt weit über 100 000 liegt. Und vergessen schließlich die kategorisch artikulierte Absicht, nur die auf dem ehemaligen Reichsgebiet geleistete Zwangs- und Sklavenarbeit zu entschädigen.

Die sozialdemokratischen Feiertagsredner würdigten jedoch nicht nur Graf Lambsdorff, sondern hoben auch die Verdienste von Gerhard Schröder hervor, der für das Erzielen dieser gerechten Lösung besondere Verdienste erworben haben soll, und zwar in der Zeit vor seinem Amtsantritt als Bundeskanzler.

Worauf wurde hier angespielt, was der Öffentlichkeit bisher nicht oder kaum bekannt ist?

In Bremen arbeitet am Raphael-Lemkin-Institut für Xenophobie und Genozidforschung ein Jurist namens Klaus von Münchhausen, der sich seit Jahren um eine Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter (ursprünglich hießen sie "Fremdarbeiter", der Begriff "Sklavenarbeiter" ist erst bei den jüngsten Verhandlungen zur Untermauerung eines Leidens-monopolanspruches eingeführt worden) bemüht.

Im späten Frühjahr 1998 vertrat er 15 in Israel lebende ungarische Juden, die während der Kriegsjahre bei VW gearbeitet haben und die nun – über Münchhausen – Anspruch auf ihren Lohn erhoben. Die Geschäftsführung von Volkswagen lehnte das Anliegen ab und verwies auf die Zuständigkeit des Bundes. Von Münchhausen wandte sich darauf an den größten VW-Aktionär, das Land Niedersachsen, vertreten im Aufsichtsrat durch dessen Ministerpräsidenten, der damals Gerhard Schröder hieß. Schnelldenker, der er ist, erkannte Schröder auf Anhieb die Bedeutung, die das Problem für ihn gewinnen könnte, zumal er kurz vor seiner offiziellen Antrittsreise an die amerikanische Ostküste als SPD-Kanzlerkandidat stand. Und so kam es – genau am 18. Juni 1998 – zu einer Zusage Schröders an Klaus von Münchhausen, durch die Errichtung einer "unbürokratischen Auszahlungsstiftung" die Entschädigung der Zwangsarbeiter politisch zu ermöglichen. Schröder setzte im VW-Aufsichtsrat eine Kehrtwende von 180 Grad durch, die bekannte VW-Stiftung in Höhe von zunächst 20 Millionen DM wurde eingerichtet, Siemens folgte unverzüglich dem Beispiel, und so kam die Lawine ins Rollen. Und somit hat sich, laut den SPD-Rednern im Bundestag, Gerhard Schröder vor dem Vaterland verdient gemacht.

Die Geschichte hat aber noch einen Nachklang: Nachdem Schröders erster Verhandlungsbeauftragte, der moralisch so leuchtende Bodo Hombach, die Claims Conference eingeschaltet hatte, wurde Klaus von Münchhausen aus den Verhandlungen ausgeschlossen, weil er europaweit Mandate ehemaliger Zwangsarbeiter sammelte und die Claims Conference dies als unlautere Konkurrenz empfand. Da er die Problematik aus nächster Nähe kannte, wußte er auch, daß die von der Claims Conference vorgelegten Zahlen – 135 000 jüdische Sklavenarbeiter noch am Leben! – ganz massiv mit dem Ziel inflationiert wurden, den Anteil der Claims Conference, die in den letzten Wochen immer mehr ins Kreuzfeuer der veröffentlichten jüdischen Meinung geriet, ungerechtfertigt hochzuschrauben. Von Münchhausen wurde immer mehr zum Störfaktor, was dann in einer internen Fax-Botschaft der Claims Conference niederschlug, auf der handschriftlich der Vermerk steht: "Ich bin einverstanden, Münchhausen zu eliminieren. Tanner soll sagen, wie?!!"

Das Faksimile dieser Faxbotschaft wurde in der Hamburger "Zeit" am 5. März abgedruckt. Gerhard Schröder ist wahrlich zu beglückwünschen – nicht zuletzt für den schwammigen Grund, in den seine Initiative schließlich einmündete. Ivan Denes

(Der Autor, aus Rumänien stammend und jüdischen Glaubens, lebt in Berlin)

 
     
     
 
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