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Grenzüberschreitungen

 
     
 
Ob eine größere Zahl ostmitteleuropäischer Staaten in wenigen Jahren der EU angehört, erscheint mehr denn je fraglich. Trotzdem werden für den Fall der Fälle schon jetzt vielfältige Vorbereitungen getroffen. Hierzu zählt auch die Förderung von "Euroregionen" am Rande der möglichen künftigen Ostgrenzen der Union.

Im Südosten gibt es beispielsweise die Perspektive einer "Euregio Banat
", die den während der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie vereinten, heute jedoch zwischen Rumänien, Jugoslawien und Ungarn aufgeteilten Landstrich wirtschaftlich und verkehrstechnisch verklammern soll.

Einen ähnlichen Hintergrund hat das in der Öffentlichkeit noch weniger bekannte Projekt "Oberes Theißbecken". Auch hier geht es um die Neubelebung geschichtlicher Regionalzusammenhänge und die Schaffung stabiler Verhältnisse entlang der Außengrenzen aussichtsreicher EU-Anwärter.

Gemeint sind vor allem die Slowakei und Ungarn, wobei für letzteres das Interesse an unkomplizierten Visaregelungen für die eigenen Volksangehörigen in Rumänien und in der Wojwodina hinzukommt. Die Auslandsungarn sollen im Fall eines EU-Beitritts Budapests und gleichzeitiger Nichteinbeziehung Rumäniens und Jugoslawiens vor einer Isolierung vom Mutterland geschützt werden.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im "Oberen Theißbecken" umfaßt im einzelnen das nordöstliche Ungarn bei Miskolc und Nyiregyháza, die slowakische Region um Eperies (Presov), die rumänische Marmarosch mit den Städten Sathmar (Satu-Mare, Szatmar) und Neustadt (Baia Mare, Nagybánya) sowie die Karpaten-Ukraine bei Munkatsch und Huszt.

Wissenschaftler des Kreismuseums Sathmar gehen davon aus, daß es – basierend auf dem k.u.k-Erbe – bis heute eine gewisse grenzüberschreitende Regionalidentität im Einzugsbereich der oberen Theiß gibt. Auf ihre Initiative hin kam es im Herbst 1997 zu einer internationalen Tagung in Großwardein (Oradea, Nagy- várad) unter dem Titel: "Interethnische Beziehungen im rumänisch-ungarisch-ukrainischen Kontaktraum vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart".

Dabei wurde unter Mitwirkung des in Tübingen ansässigen Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde ein umfangreicher dreisprachiger Tagungsband herausgegeben, der über die kulturhistorischen Grundlagen der angestrebten engeren Zusammenarbeit informiert.

Die Themen des Tagungsbandes lauten zum Beispiel: "Der Modernisierungsprozeß des Habsburgerreichs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts" (Camil Muresanu), "Grundzüge der Geschichte der Karpatoukraine als politisch-administrative und ethnographische Region" (Meinolf Arens), "Bestand und Perspektiven der sathmarschwäbischen Dialekte und ihrer Sprachträger" (Hans Gehl) oder "Deutsches Lehngut in den ukrainischen Mundarten Transkarpatiens" (Olga Hvozdiak).

Die große Bedeutung der deutschen Kultur für den vielschichtigen ethnischen Kontaktraum am Oberlauf der Theiß ist nicht zu übersehen. Mit dem Ziel, speziell dieser Einflußnahme durch deutsche Volksgruppen vor Ort nachzuspüren, wurde im Sommer dieses Jahres wiederum vom Kreismuseum Sathmar eine Feldforschung in Gang gebracht, an der sich fürs erste gut zwei Dutzend Wissenschaftler aus Klausenburg, Tübingen und Sathmar beteiligten.

Bislang 73 Personen erhielten Fragebögen zu den vielfältigsten Bereichen – vom Sprachgebrauch, über Bräuche in den Familien und bei der Arbeit bis hin zum Hausbau, der Musik und dem Empfinden von Mehrheits- und Minderheitensituationen. Dabei wurden auch einige Rumänen und Zigeuner hinsichtlich ihresVerhältnisses zu den ungefähr 10 000 Sathmarer Schwaben befragt.

Die genauen Ergebnisse will man auf einem wissenschaftlichen Symposium am 14. Juli 2001 vorstellen. Kurz danach sind weitere Feldforschungen im rumänischen Gebiet von Oberwischau in der Marmarosch sowie im karpatendeutschen Ort Hopgarten in der Slowakei geplant. Am Ende des Pilotprojekts soll nach Angaben des Tübinger Instituts eine große Schlußkonferenz im Jahre 2004 stehen sowie im Idealfall ein "Volkskundeatlas des oberen Theißbeckens".

Der Tagungsband "Interethnische Beziehungen im rumänisch-ungarisch-ukrainischen Kontaktraum vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart" (597 S., brosch., 20 DM zzgl. Porto) kann bestellt werden beim Insititut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Mohlstr. 18, 72074 Tübingen, Tel.: 07071/200-2514, Fax: 200-2535.

 
     
     
 
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