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Glanz und Elend der Habsburger

 
     
 
Denkt man heute an Habsburg, assoziieren viele die Geschichte des alten Österreich. Dieser Blickwinkel entspricht jedoch nur teilweise der historischen Realität. Vielmehr kennzeichnete es die Habsburger, und darin folgte ihnen kein anderes europäisches Fürstengeschlecht, daß sie multinationale Großreiche schufen. Der Mediävist Heinz-Dieter Heimann stellt die Geschichte dieser berühmten Dynastie kompakt dar. Alteuropa, schreibt Heimann, verliehen die Habsburger ihre „Signatur“; Sie repräsentierten Kaisertum und römisch/deutsches Reich, Donaumonarchie, Autorität und International
ismus. Heimann sieht die wichtigste Bedeutung der Habsburger darin, daß sie eine „Integrationsleistung“ vollbracht hätten und reflektiert die Frage, inwiefern habsburgische Vorbilder die heutige Europa-Diskussion bereichern.

Zunächst schildert der Autor Habsburgs Aufstieg von der Grafschaft zum Kaisertum. Die „Habichtsburg“, Stammsitz der Familie, lag in der Schweiz. Durch Heiraten und Erbfolge, eine besondere Spezialität der Habsburger, unerschöpflich virtuos gehandhabt, erweiterten sie ihr Territorium. Graf Rudolf IV., seit 1273 deutscher König, sicherte der Dynastie die Nachfolge im Herzogtum Österreich. Dank eines gefälschten Privilegs verliehen sich die Habsburger 1358/59 eigenhändig politische Souveränität und erhielten die Sukzession in den Königreichen Böhmen und Ungarn zugesprochen.

Friedrich III. bestieg 1452 als erster Habsburger den Kaiserthron und beanspruchte, staufische Traditionen fortzusetzen. Damit begann eine weitere Etappe habsburgischer Geschichte; die Dynastie griff nach der Weltmacht. Erst 1806 verloren die Habsburger die römisch-deutsche Kaiserkrone.

In der Zeit um 1500 gewann Maximilian I., der seine Kinder politisch klug verheiratete, ein Imperium. Unter Karl V. reichte es von Ungarn über Böhmen, Italien, Holland und Spanien bis zu den Philippinen und sah „die Sonne nicht sinken“. Karl V., mittelalterlichem Denken verhaftet und in zahlreiche Kriege involviert, verkannte das Maß des Möglichen. Bloß dynastische Klammern stabilisierten die extrem disparate Ländermasse der Habsburger nicht; auch entzog die Reformation der katholischen Reichsidee weithin die Basis. Die Habsburger zerfielen in eine spanische und eine österreichische Linie. Schon zu Lebzeiten Karls V. war daher die supranationale „Monarchia universalis“ gescheitert.

Während des Dreißigjährigen Krieges stellten sich die Habsburger an die Spitze der Gegenreformation, opferten abstrakten religösen Dogmen die gesamtdeutsche Staatsräson und zerstörten das Reich. Eben diesen Sachverhalt ignoriert Heimann; statt dessen betreibt er Schönfärberei. Wiens „konsequent durchgesetzte Gegenreformation“ habe der „vielgliedrigen Habsburgermonarchie“ zur „Einheit“ verholfen. Hinsichtlich des Reiches stimmt diese These keinesfalls und bezüglich der habsburgischen Erblande nur dann, wenn man temporäre Friedhofsruhe mit „Einheit“ verwechselt.

Karl V. hatte seine Kräfte zersplittert und es den Osmanen ermöglicht, 1529 erstmals Wien zu belagern. Im Zuge der Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts erreichten die Habsburger Siebenbürgen und Budapest. Nun entstand die Donaumonarchie im eigentlichen Sinn des Wortes.

Habsburg/Österreich zerschellte an der monströsen Aufgabe, zugleich die deutsche Kaisermacht zu festigen und ein unförmiges Territorial-Imperium zu beherrschen. Auch hier vermißt der Leser kritische Analysen. Bereits die Erbfolgekriege der Zeit Maria Theresias, die Kämpfe um die „Pragmatische Sanktion“, der Verlust Schlesiens, bedrohten das Fundament des Hauses.

Nicht nur das Reich, sondern ebenso ihre Erblande leiteten die Habsburger wenig effektiv. Joseph II., der religöse Toleranz, Zentralismus und antifeudale Agrarreformen realisieren wollte, erzielte nur sehr begrenzte Erfolge. Unregierbarkeit, gegensätzliche Strukturen und Interessen, wechselweise bürokratischer Zentralismus und partikularer Föderalismus, verwandelten das Donaureich in ein organisiertes Chaos, das jeder staatsrechtlichen Definition spottet. Allein die Dynastie, die sich mittels steifer Hofzeremonien und schauerlicher Begräbnisriten selbst mystifizierte, hielt dieses Länderkonglomerat bei der Stange.

Während der napoleonischen Kriegsstürme demonstrierten die Habsburger nochmals Resistenz und relative Flexibilität. Aus der Asche des Reiches retteten sie das „Kaisertum Österreich“. Im letzten habsburgischen Jahrhundert folgten dann obrigkeitsstaatliche Reglementierung und Erstarrung, unablässige Kriegsniederlagen, familiäre Krisen und der Zerfall der Monarchie. Das Doppelgebilde Österreich-Ungarn erschien sogar Franz Joseph I. als „Anomalie“. Heimann spricht von einem „Völkergefängnis“, dessen Untergang 1918 nicht zu verhindern war. Die Dynastie vermochte letztlich das Fehlen einer Staatsidee nicht zu kompensieren.

Glanz und Elend der Habsburger sind eng miteinander verwoben. Ihren universalistischen Prämissen verdanken sie gleicher- weise Aufstieg und Untergang. Man wird Heimann, der ein informatives und straffes, jedoch wenig kritisch-analytisches Buch vorgelegt hat, beipflichten können, wenn er schreibt, daß eine „Rehabsburgerisierung“ Ostmitteleuropas schwerlich in Betracht kommt. Rolf Helfert

Heinz-Dieter Heimann: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche, Verlag C. H. Beck, Reihe Wissen, München 2001, 128 Seiten, Preis: 7,50 Euro

 
     
     
 
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