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Berlins SPD-Vorsitzender und Stadtbausenator Peter Strieder gab sich im Abgeordnetenhaus ungewohnt zahm. Seine Rede las er stur vom Blatt ab, polemische Spitzen gegen die Opposition vermied er, obwohl die Redner von CDU, FDP und Grünen ihn hart angegangen waren und seinen Rücktritt gefordert hatten. Bloß ein freudscher Versprecher verriet seine Nervosität.
Strieder, der früher einmal als Hoffnungsträger und "Mister Zukunft" galt, sprach vom "Tempodram". Und in der Tat: Die Affäre um das im Dezember 2001 fertiggestellte Veranstalt ungshaus "Tempodrom" wächst sich für ihn und den rot-roten Senat zum Drama aus.
Das Tempodrom, in dem Rockkonzerte, Eisrevuen oder Wahlpartys stattfinden, war ursprünglich ein populäres Veranstaltungszelt im Bezirk Tiergarten. Da es zu nahe am Kanzleramt stand, wurde in Kreuzberg ein neues Quartier aufgeschlagen. Jetzt reichte aber kein Zelt für Kleinkunst mehr aus, es mußte ein massives Gebäude mit einem gezackten Zeltdach sein, das an die Kathedrale von Brasilia erinnert. Bau und Betrieb des Hauses sollten privat erfolgen. Zunächst wurden dafür 16 Millionen Euro veranschlagt, die aus Fördergeldern der EU, aus der Entschädigungszahlung des Bundes und Zuschüssen der Berliner Lottostiftung bestritten werden sollten. Verantwortlich war eine Stiftung unter Leitung der
Tempodrom-Gründerin Irene Moessinger. Kurz vor Baubeginn im Mai 2000 stieg die Kostenprognose auf 22 Millionen an, am Ende wurden es 30 Millionen. Das Tempodrom war zum Faß ohne Boden geworden - für das ohnedies schon am Abgrund des Bankrotts wankende Land Berlin!
Bereits im Jahre 2000 gewährte die Berliner Landesbank (LBB) einen Kredit von 12,8 Millionen. Im Oktober 2001 bewilligte der Senat weitere 6,8 Millionen, um eine drohende Pleite zu verhindern. Ein Jahr später folgte ein neuer Zuschuß von 1,74 Millionen. Davon wird die Stadt keinen Cent wiedersehen. Das Tempodrom ist nur deshalb noch nicht am Ende, weil die LBB ihm die Zinsen gestundet hat. Nun soll es verkauft werden, der Verkaufspreis wird bei läppischen 2,5 Millionen Euro liegen. Und selbst diese Summe muß größtenteils an Handwerker und andere Gläubiger weitergereicht werden.
Der langjährige Bausenator Peter Strieder will die Kostenexplosion nicht bemerkt haben, obwohl das Prestigeobjekt in seinem Kiez und Wahlkreis liegt. Erst im Sommer 2001 habe er davon erfahren, als Moessinger ihn brieflich um "eine wirklich schnelle Nachfinanzierung" ersuchte. Der Senat gewährte den Zuschuß von 6,8 Millionen Euro unter der Bedingung, daß die Verträge verändert würden. So sollten die Pachteinnahmen der Stiftung gesichert werden, die wegen nachteiliger Vereinbarungen zwischen Stiftung und Betreibern zu niedrig ausfielen.
Pikant dabei: Stiftungsvorstand Moessinger war zugleich Betreiberin, sie hatte die Verträge quasi mit sich selber ausgehandelt. Strieder meldete im Senat Vollzug, doch sein Koalitionspartner von damals, der Grüne Wolfgang Wieland, poltert jetzt: "Das Gegenteil von dem, was wir wollten, stand in den Verträgen - von denen Strieder sagte, sie seien in unserem Sinne optimiert worden." Strieder ist auch verantwortlich für den zweiten Zuschuß von 1,74 Millionen Euro, der vom Landesrechnungshof als rechtswidrig eingestuft wurde. Die CDU hat daraufhin gegen ihn Anzeige wegen Untreue erstattet.
Zweite Pikanterie: Moessinger und Strieder sind miteinander befreundet. Und drittens: Der Ex-Bauunternehmer und Tempodrom-Förderer Roland Specker, der die Projektleitung übernommen hatte, sponserte am 21. Oktober 2001, also just, als der erste Millionenzuschuß gewährt wurde, die Wahlparty der SPD. Jedoch "vergaß" die Partei, Speckers 5.000 Euro ordnungsgemäß als Spende oder anderweitig zu verbuchen. Daraus irgendwelche Zusammenhänge zu konstruieren ist nach Bekunden der Beteiligten aber abwegig - alles Zufall.
Jetzt hat das Abgeordnetenhaus einen Untersuchungsausschuß beschlossen und "Mister Zukunft" seine Zukunft wohl hinter sich. Für die Stadt kommt dieser Kehraus viel zu spät.
Party und Politik miteinander verquickt: Berlins Stadtbausenator Peter Strieder (r.) und Bürgermeister Klaus Wowereit beim Eishockeyspiel der Eisbären Berlin. Auf Veranstaltungen dieser Art wurde schon so manches Pleiten-, Pech- und Pannengeschäft für die Stadt vorbesprochen. Allmählich wird offenbar, daß bei den Vertragsvergaben vor allem freundschaftliche Beziehungen und nicht ökonomische Aspekte im Vordergrund standen. |
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