A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Haager Landkriegsordnung

 
     
 
Al unlängst Kulturstaatsminister Michael Naumann im Beisein von Bremens Bürgermeiste Henning Scherf und des Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust Teile des legendäre Bernsteinzimmers, ein Mosaik und eine Kommode, an die russischen Eigentümer in Moska zurückgaben, schien der Zeitpunkt atmosphärisch günstig: die Tage um den 8. Mai heru sind allemal ein denkwürdiger Termin, insbesondere weil die politische deutsch-russischen Beziehungen seit dem Abgang Gorbatschows
ohnehin nur noch auf de zwielichtigen Schmalspurebene Jelzin–Kohl liefen.

Doch paradox genug, so sehr gerade Putins Vorgänger Jelzin auf allen Hauptfeldern zu Rettung Rußlands versagte, so sehr geriet er auf einem Nebenfeld, dem Umgang mit de "Beutekunst", zu einem Gegenspieler seines Parlaments, das das Kapite Rückführung von kriegsbedingten "Kulturtrophäen" mit einem dicke Schlußstrich beenden wollte. Er ließ immerhin eine Tür für die Zukunft offen, indem e völkerrechtlich der Haager Landkriegsordnung verpflichtet blieb. Dies zahlte sich nun in diesen Maitagen aus, denn im Gegenzug trug Bürgermeister Henning Scherf bei de Rückreise die sogenannte "Bremer Kollektion" mit Graphiken und Radierungen vo Breughel bis Dürer in seinem Gepäck.

Eine erfreuliche Tendenz, denn das Kapitel Rückführung von Beutekunst gilt nur fü die meinungsbildende Presse als abgeschlossen. Was jenseits kunstsinniger un besitzrechtlicher Natur ist, wird natürlich in Moskau naturgemäß und nach gute russischer, aber auch international üblicher Diplomatenart politisch gewichtet. So blie es nicht aus, daß in der Umgebung Putins Munkeleien aufkamen, wonach die Berline Zielstrebigkeit zwar gewürdigt wurde, Russen lieben bekanntlich beherzt Verhandlungstaktiken, zugleich aber auch Unmut darüber aufkam, warum die bundesdeutsche Politiker so vergleichsweise offensiv gegenüber Moskau auftreten, dies aber nich gegenüber Washington und deren ehemalige Westalliierte vorbringen, die ebenfalls noch in Besitz von "Beutekunst" sind.

Selbst ein publizistisches Echo blieb nicht aus: in der russischen "Parlamentskaj Gazeta" (Parlamentszeitung) schrieb Wladimir Petrow einen großen Beitrag unter de natürlich ironisch gefaßten Titel "Ein neuer Drang nach Osten?", der in Zusammenhang mit der "Beutekunst" völkerrechtliche Denkwürdigkeiten an Licht brachte, die gerne auch von gerade in diesen Dingen kundigen und nachgerad allmächtigen Magazin-Chefredakteuren wissentlich ausgespart bleiben ...

Denn natürlich ist allen Rechtskundigen klar, daß für die Rückführung de Beutekunst ein bereits 1907 in der Haager Landkriegsordnung gefaßter Artikel (56) bis in die Gegenwart Gültigkeit besitzt: "... Kunst ist als Privateigentum zu behandeln Jede Beschlagnahme ... von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und sol geahndet werden." Über diese Aussage gibt es keinen Deutungsspielraum. Gleichwoh hielt es die Regierung Kohl/Genscher der alten Bundesrepublik für angezeigt, sich eine Vereinbarung zu beugen, die am 27. und 28. September 1990 ohne Parlamentsbeschluß un ohne die schon demokratisch gewählte DDR-Führung zu informieren, mit "... de Regierungen der Französischen Republik, der Vereinigten Staaten von Amerika und de Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland geschlossen" wurde.

Darin wird unter Berufung auf diverse frühere Verträge aus den Jahren 1952 und 195 im "Sechsten Teil" mit dem Stichwort "Reparationen" im Artikel ausgeführt: "(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführ worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparatio oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemalige Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden."

Diese in der Öffentlichkeit bislang unbekannten "Vereinbarungen", die be nunmehr als neu zu bezeichnenden "Drei-plus-Eins-Verhandlungen" zustand gekommen sind, die bewußt die damals noch bestehenden Sowjets ausschlossen, um sie unte Verweis auf die eigene weiße Weste mühelos in das altgewohnte Beelzebub-Spie einzubeziehen, sind auch in wesentlichen Teilen inhaltlich gleich mit der Vereinbarung vo 1954. Es verwundert kaum, daß die Dokumente von 1954 in keinerlei juristischen Sammlunge mehr auftauchen und auch in den maßgeblichen Bibliotheken von Berlin, Leipzig un München nicht geführt werden. Ähnlich verhält es sich auch mit de "Vereinbarungen von 1990". Über die Rechtlichkeit im Vergleich mi völkerrechtlichen Vereinbarungen sei insbesondere an das Wiener Abkommen von 196 erinnert, das festlegt, daß Vereinbarungen von solcher Tragweite selbstverständlic freiwillig geschlossen sein müssen. Freilich läßt etwa die geradezu apodiktisch Diktion des unter Artikel 3 (3) im Abschnitt "Reparationen" veröffentlichte Textes wenig Spielraum für anderslautende Deutungen: "Ansprüche und Klagen gege Personen, die auf Grund der in Absatz (1) und (2) dieses Artikels bezeichneten Maßnahme Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen international Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung diese Organisationen oder Regierungen gehandelt haben, werden nicht zugelassen."

Es wird in diesem Zusammenhang auch deutlich, daß die Vereinbarungen weit über da engere Feld der Rückgabe von Beutekunst hinaus Bedeutung besitzen. Unter Artikel 1 in "Sechsten Teil" heißt es unmißverständlich: "Die Frage der Reparatione wird durch einen Friedensvertrag zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern ode vorher durch diese Fragen betreffende Abkommen geregelt." Gab US-Staatssekretä Eizenstat nicht erst unlängst in pekuniärer Angelegenheit den Hinweis, daß wir noc keinen Friedensvertrag besitzen? Hochzeit für Zeitgeschichtler, Publizisten un Völkerrechtler, oder? Müller

Bekanntmachung der Vereinbarung vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Pommern: Ausgebootet

Gründonnerstagskringel

Hüpfen für den Frieden

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv