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Die Deutschbalten zählen nicht zu den großen Investoren, die sich am Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft in Estland beteiligen. Ihr unternehmerischer Beitrag ist bescheiden. Dies gilt jedoch nicht für das private Engagement im sozialen, kirchlichen und ideellen Bereich.
Ohne die tatkräftige Hilfe vieler deutschbaltischer Familien hätte so manche Kirche nicht gerettet, manch Pfarrhaus nicht restauriert, manche Sozialstation nicht ausgebaut und manche Schule nicht mit neuen Möbeln ausgestattet werden können.
Viele Esten werten diese Unterstützung als bedeutenden Beitrag zu einem neuen Brückenschlag zwischen Estland und Deutschland. Als ich kürzlich Ministerpräsident Mart Laar in der neuen Staatskanzlei auf dem Domberg in Reval besuchte und ihn fragte, wie er den Beitrag der Deutschbalten zur Geschichte seines Landes beurteile, antwortete er ohne zu zögern: „Es tut uns sehr leid, daß wir diese Minderheit nicht mehr bei uns haben. Dieses Resultat des Zweiten Weltkrieges können wir leider nicht rückgängig machen.“
Weiter erklärte der Regierungschef: „Wenn Sie auf das Ehrenmal für das Baltenregiment schauen (eine antikommunistischen deutschbaltische Einheit, die im Freiheitskrieg 1918-20 an der Seite estnischer Verbände für die Unabhängigkeit kämpfte), das nicht weit von diesem Hause auf dem Domberg steht, dann wissen Sie, wie Estland denkt. Nämlich, daß das, was 1939 geschah, für Esten wie für Deutschbalten eine gemeinsame Katastrophe war.“
Ich wollte wissen, ob Laar bestimmte Wünsche an die Deutschbalten habe. Seine Antwort fiel sehr ungewöhnlich aus: „Für mich ist es leicht, Wünsche zu äußern, denn ich riskiere nichts. Es ist ja Ihr Geld. Trotzdem: Für uns sind Investitionen auf dem Lande und im ländlichen Tourismus sehr wichtig. Hier kann man mit relativ wenig Geld viel erreichen.
Bei uns ist etliches versäumt worden. Man dachte, Estland sei schön, die Touristen würden schon kommen. Aber so einfach ist es nicht. In den schönsten Gegenden fehlen zum Beispiel Wanderwege, und die Kulturdenkmäler werden in Reiseprogrammen viel zu wenig berücksichtigt. Hier können die landeskundigen Deutschbalten helfen - nicht zuletzt mit Werbung in Deutschland und indem sie interessierte Deutsche hierher bringen. Estland braucht diese Zusammenarbeit!“
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