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Der Veranstaltungshinweis im fiel auf fruchtbaren Boden: Einige neue Gesichter waren unter den achtzig Teilnehmern der Weikersheimer Hochschulwoche, die im September wieder im Taubertal eröffnet wurde. Und um es vorwegzunehmen: sie waren von den Vorträgen und Gesprächen sehr angetan. Das Motto der diesjährigen Veranstaltung lautete: „Grundlagen und Zukunft der Freiheitlichen Demokratie in Europa“. Zum Auftakt sprach aus aktuellem Anlaß der Orientalist Dr. Hans Peter Raddatz, der auf eine Ausbildung ausgerechnet in New York und jahrelange Aufenthalte in der arabisch en Welt zurückblicken konnte. Seiner Auffassung nach haben sich die christlichen Kirchen im Zeichen des christlich-islamischen Dialogs einseitig an den Islam angepaßt. So unterschrieb der Papst einen Aufruf, der Mohammed und Jesus auf eine Stufe stellte. In Deutschland weigern sich Politiker strikt, Einladungen gemäßigter islamischer Gruppen anzunehmen, um diese gegenüber den radikalen Mili Görös aufzuwerten. Der Terrorismus? Saudi-Arabien zahle aus seinen Exporteinnahmen lösegeldähnliche Summen an den islamischen Terrorismus, der netzwerkartig die Attentate vom 11. September in aller Ruhe vorbereiten konnte. Tage vorher, so Raddatz, verkauften arabische Wertpapierfonds ihre Bestände.
Von Prof. Daschitschew, dem deutschlandpolitischen Berater Gorbatschows und treuen Freund des Studienzentrums Weikersheim, war zu erfahren, daß er bereits im Mai 1988 die Wiedervereinigung in naher Zukunft erwartete und befürwortete. Die Entwicklung Rußlands unter Jelzin malte er, der exklusive Informationen zu bieten hatte, in düsteren Farben.
Die 68er waren nach der Darstellung des neuen Weikersheimer Präsidenten Prof. Hornung geistig rückständig: sie griffen sehr stark auf marxistisch-leninistisch-stalinistische Deutungsmuster der zwanziger und dreißiger Jahre zurück, um den „Faschismus“ (also alles, was sich ihnen widersetzte) zu entlarven. Hornung: „Dabei trugen sie selbst die dicksten Larven.“ Doch war der Weg des Sozialistischen Studentenbunds in den Neomarxismus, so Dr. Joachim Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat, am Anfang keineswegs abzusehen. Denn der erste Bundesvorsitzende des SDS war niemand anderes als Helmut Schmidt. Doch schon 1966 (Monate vor dem Tode Benno Ohnesorgs anläßlich des Schah-Besuchs) mahnte Rudi Dutschke zu einer taktischen Spaltung der sich herausbildenden Protestbewegung: Ein Teil solle in den Untergrund gehen, während sich der andere auf den „langen Marsch“ durch die Institutionen begeben sollte. Auch eine Form des „Getrennt marschieren, vereint schlagen“, wie es sich auch mörderisch bewahrheiten sollte.
Zum Abschluß der viertätigen Veranstaltung, zu der wieder eine Betriebsbesichtigung bei der Firma Würth einschließlich des Würth-Kunstmuseums gehörte, trat der Schriftsteller Siegmar Faust (Romanautor „Der Provokateur“) mit einem mitreißend gestalteten, freien Vortrag über seine Biographie als „Querkopf“, „Hippie“ und politischer Häftling in der DDR hervor. Kurz: Das war Zivilcourage im Totalitarismus.
Hervorzuheben ist auch der persönlich gefärbte, spannende Erlebnisbericht von Kapitän Herbert Ploetz, der nach Jahren als Marineoffizier (teilweise im Verteidigungsministerium) Mitte der neunziger Jahre Estland als ein zweites Vaterland entdeckte. Dort, in Tallin (Reval), war er als Dozent am Baltic Defense College tätig und gewann das Vertrauen vieler Politiker und Militärs.
Wie immer in Weikersheim kamen neben dem Austausch von selten gehörten Informationen auch Geselligkeit und Frohsinn nicht zu kurz. Der Abend in einem Keller des Schlosses, der auch viele deutsche („Ännchen von Tharau“, „Ostdeutschlandlied“) und russische Lieder beinhaltete, verging wie im Fluge. Auch dadurch gelingt es dem Studienzentrum Weikersheim immer wieder, die verschiedenen Nationen und Kulturen in paneuropäischem Geiste zu verbinden sowie persönliche Bekanntschaften und Freundschaften über den Tag hinaus zu entwickeln.
Erstmals Organisator der Hochschulwoche: Weikersheim-Präsident Prof. Klaus Hornung
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