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Deutschlandlied wird Bundeshymne

 
     
 
Im Jahre 1797 rückten die franzö-sischen Revolutionstruppen gegen Wien vor. Während die Hauptstadt des in Zerfall begriffenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation voller Angst war, sangen die Angreifer sieges-sicher ihre Marseillaise und machten immer neue Eroberungen. Man brauchte bei den Österrei-chern etwas Gleichartiges, um es dem feindlichen Liede entgegen-singen zu können. Joseph Haydns Gönner, Baron Gottfried van Swieten, machte der Regierung den Vorschlag, man möge den Österreichern
ebenfalls eine Hymne verschaffen. Von dort ging die Aufforderung zum Entwurf eines geeigneten Textes an den Odendichter Lorenz Leopold Haschka. Haydn wurde dann gebeten, das Resultat, die patriotische Hymne "Gott erhalte Franz den Kaiser", zu vertonen. Das Ergebnis war eine Melodie mit einem Klavier- und einem Orchestersatz.

Diese Hymne ist nicht schwung-voll wie die französische Marseillaise, sondern eher getragen wie das britische "God save the King". Das liegt nicht nur daran, daß das britische Königreich dem Heiligen Reich näher stand als die französische Republik, sondern auch an der Person Haydns. Der war nämlich von 1790 bis 1795 in London gewesen und hatte dort die Wirkung der noch heute gültigen britischen Herrscherhymne kennengelernt. "Die Londoner waren ziemlich respektlos", lautet seine diesbezügliche Feststellung, "doch wo diese Hymne Henry Careys erklang, da verstummte alle Kritik an den Handlungen des Hauses Hannover." Die Haydn-Hymne sollte sich als ähnlich erfolgreich erweisen.

"Gott erhalte Franz den Kaiser" wurde erstmals am 12. Februar 1797 zum Kaisergeburtstag gesun-gen. Vor dem Beginn der abendli-chen Opernaufführung hatte man Texte im Saal verteilt. Das Lied sollte den Kaiser begrüßen, so-bald er seine Loge betrat. Der Monarch aber kam bewußt ver-spätet, um sich nicht feiern lassen zu müssen. So wartete man bis zur ersten Pause. Nach einmaligem Spielen der Melodie erhob sich das Publikum und sang das Lied vor dem gerührten und verlegenen Herrscher mit wachsender Begeisterung. Angesichts dieser Wirkung kann es nicht verwundern, daß das Stück Franz II. und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation überlebte und in textlich abgewandelter Form als Hymne der habsburgischen Donaumonarchie bis zu deren Ende im Jahre 1918 Verwendung fand.

Als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im August des Jahres 1841 zur Badereise nach der damals noch britischen Insel Helgoland fuhr und die Schiffskapelle für die Franzosen die Marseillaise und die Engländer "God save the King" spielte, empfand es der demokratisch und großdeutsch gesinnte Dichter und Germanistikprofessor an der Universität Breslau als besonders schmerzlich, daß die Deutschen keine entsprechende Hymne hatten. Hier versuchte der mit den Gebrüdern Grimm befreundete Künstler Abhilfe zu schaffen und dichtete am 26. jenes Augusts auf der Klippe von Helgoland das "Lied der Deutschen" zur Haydnschen Melodie von "Gott erhalte Franz den Kaiser".

Für vier Louisdor überließ er es seinem Hamburger Verleger Juli-us Campe, als dieser drei Tage später die Insel besuchte. Schon drei Tage später, also am 1. Sep-tember, brachte es der Hamburger als Vierblattdruck mit der Partitur aus Haydns Kaiserquartett heraus. Und gut einen Monat später, am 5. Oktober 1841, wurde es in Hamburg als Fackelständchen zu Ehren des dort weilenden liberalen Heidelberger Professors Carl Theodor Welcker von der Hamburger Sänger- und Turnerschaft erstmalig gesungen.

1871 wurde die deutsche Frage endlich einer wenigstens klein-deutschen Lösung zugeführt. Die-ses kleindeutsche Kaiserreich bediente sich jedoch bei offiziellen Anlässen statt des Deutschlandliedes lieber einer Abwandlung der preußischen Hymne "Heil dir im Siegerkranz" mit der Melodie von "God save the King". Diese Kaiserhymne war nach der Abschaffung der Monarchie im Deutschen Reich als Nationalsymbol nicht mehr tragbar, und damit war der Weg für das Lied der Deutschen grundsätzlich frei.

Allerdings hatte ähnlich wie nach dem Zweiten auch schon nach dem Ersten Weltkrieg die deutsche Linke ihre Probleme mit dem Deutschlandlied, und so dauerte es auch in der Weimarer Zeit einige Jahre, bis das Staats-oberhaupt das Lied wenigstens informell zur Nationalhymne erklärte. Reichspräsident Friedrich Ebert wählte hierfür die Feierstunde im Reichstag aus Anlaß des Verfassungstages im Jahre 1922. Während der NS-Zeit wurde die erste Strophe des Deutschlandliedes mit dem Horst-Wessel-Lied zur sogenannten Doppelhymne verknüpft.

Nach der Niederlage vom 8. Mai 1945 wurde von den Siegern das Deutschlandlied wie auch das Horst-Wessel-Lied erst einmal verboten. Seinen prominentesten Gegner hatte das Lied der Deut-schen aber nicht in irgendeinem Besatzungsoffizier, sondern im ersten Staatsoberhaupt der Bundesrepublik. Mit allen Tricks versuchte Theodor Heuss, dem als Bundespräsidenten die Entschei-dung über die Bundeshymne zu-stand, eine Wiedereinführung des Deutschlandliedes zu verhin-dern. Knapp drei Jahre nach der Gründung des westdeutschen Teilstaates gab er den Widerstand schließlich auf.

Auf Bundeskanzler Konrad Adenauers bekannten Brief vom 29. April 1952 mit dem entscheidenden letzten Absatz "Daher die Bitte der Bundesregierung, das Hoffmann-Haydn’sche Lied als Nationalhymne anzuerkennen. Bei staatlichen Veranstaltungen soll die dritte Strophe gesungen werden" antwortete Bundesprä-sident Theodor Heuss mit einem Schreiben vom 2. Mai jenes Jahres 1952, dessen alles entscheidender Absatz lautet: "Da ich kein Freund von pathetischen Dramatisierungen bin und mit mir selber im reinen bleiben will, muß ich nach meiner Natur auf eine ,feierliche Proklamation‘ verzichten. Wenn ich also der Bitte der Bundesregierung nachkomme, so geschieht das in der Anerkennung des Tatbestandes."

 
     
     
 
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