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Was bisher über den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die ihm gehörende Bawag - Österreichs viertgrößte Bank - bekannt wurde, erweist sich als regelrechter Kriminalfall und als größte Vertuschungsaffäre der Republik. Unter den Mitarbeitern von ÖGB und Bawag gärt es, an der Spitze von ÖGB und Bawag hat ein Köpferollen eingesetzt, und die SPÖ fällt in der Wählergunst zurück - sie liegt laut Umfragen nur noch gleichauf mit der ÖVP.
Haftbefehle wurden bisher nur gegen die beiden Hauptakteure in den für die Bawag so verlustreichen Spekulation s- und Verschleierungsgeschäften beantragt, nämlich gegen Wolfgang Flöttl, Sohn des langjährigen Bawag-Generaldirektors Walter Flöttl, und Phillip Bennett, vormals Chef der bankrotten US-Maklerfirma REFCO.
Eine Auslieferung an Österreich müssen die beiden nicht befürchten, denn Bennett ist britischer Staatsbürger und Flöttl ist, wenn nicht selbst US-Bürger, so zumindest mit einer US-Bürgerin verheiratet, mit der Präsidentenenkelin Anne Eisenhower. Dies übrigens zum zweiten Mal: Ein Scheidungs-Intermezzo diente dazu, Flöttls Vermögen an die Gattin zu verschieben. Flöttl gilt jetzt als "mittellos" und ist an keiner seiner Luxusresidenzen anzutreffen - auch nicht auf den Bermudas, wo er sich mit Silvio Berlusconi eine Insel teilt. Daß Flöttl weiterhin die Sympathie der New Yorker "High Society" genießt, kann nicht erstaunen. Denn selbst wenn nur Gewerkschaftsmittel abgezockt wurden, Geld aus Österreich ist immer ein Erfolgserlebnis.
Gegen mehrere Bawag-Verantwortliche wird ermittelt. Unter anderem besteht der Verdacht, daß ÖGB-Gelder an die SPÖ flossen. Höchst brisant ist eine Anzeige, derzufolge die Ski-Fabrik "Atomic" 1994 von der Bawag mutwillig in den Konkurs geschickt wurde, um dann mit Hilfe des Konkursverwalters Karibik-Verluste zu verschleiern. Markenrechte und Patente gingen um einen augenscheinlich zu niedrigen Kaufpreis an den finnischen Konzern Amer. Für "Atomic"-Gründer Rohrmoser, der bis zu seinem tödlichen Herzinfarkt im Februar um sein Recht kämpfte, kommt die Aufklärung aber zu spät.
ÖGB-Chef Verzetnitsch trat nicht, wie er sagte, "aus eigenem Entschluß" zurück. Vielmehr wurde er in den Stunden davor vom Wiener Bürgermeister Häupl, dem starken Mann der SPÖ, massiv "bearbeitet". Und Häupl lieferte auch gleich den interimistischen Nachfolger: Es ist der Chef der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten Hundstorfer, den der ÖGB-Vorstand nur noch bestätigen mußte. Der endgültige Nachfolger soll bis zum Gewerkschaftskongreß im Juni feststehen und dort "demokratisch" abgesegnet werden. Ob er Hundstorfer heißen wird, ist aber nicht sicher. Denn im ÖGB gelten die Gemeindebediensteten als privilegierte Kaste und Hundstorfer als Häupls "Partner", ohne den in Wien gar nichts geht.
Unter Beschuß steht auch Arbeiterkammerpräsident Tumpel: Er war bis 1997 Aufsichtsratspräsident der Bawag und muß als Magister der Nationalökonomie über das nötige Fachwissen verfügt haben. Obendrein hätte er seine Gattin konsultieren können, denn die war lange Jahre führend in der Nationalbank tätig, darunter bei der Bankenaufsicht, und sitzt seit 2003 im Direktorium der Europäischen Zentralbank.
SPÖ-Chef Gusenbauer trat die Flucht nach vorne an: Die Verantwortlichen müßten "einen Beitrag" zur Wiedergutmachung leisten, und der ÖGB müsse sich von der Bawag trennen. Zugleich warf er Finanzminister Grasser vor, daß die Bankenaufsicht versagt habe. Bis 2000 hatten aber SPÖ-Finanzminister amtiert. Und der Prüfbericht, den Grasser (damals FPÖ) 2001 von der Nationalbank anforderte, zeigt zwar Buchhaltungsmängel auf, nicht aber die Karibik-Geschäfte. Und welcher Aufschrei wäre durch die Welt gegangen, hätte kurz nach Ende der Sanktionen ein FPÖ-Minister bei der Gewerkschaftsbank eingegriffen?
Wenige Stunden nach Gusenbauers Forderung beschloß der ÖGB tatsächlich, die Bawag zu verkaufen. Und Hundstorfer beeilte sich zu sagen, dies habe nichts mit Gusenbauer zu tun. Eine Ohrfeige. Von politischen Gegnern wird der Panik-Beschluß "begrüßt", wirtschaftlich sinnvoll ist er zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht, denn damit ist der kleinstmögliche Verkaufserlös garantiert. Unter Gewerkschaftern wird der Beschluß sowieso kritisiert: Von den "Kleinen", weil sie die 1922 von Karl Renner (Staatsoberhaupt 1918/19 und 1945-50) gegründete "Arbeiterbank" bis heute als solche sehen. Und von den "Großen", weil das Firmengeflecht von Bawag und ÖGB reichlich Gelegenheit bot, Funktionäre mit Pfründen zu versorgen. Aber möglicherweise geht die Bawag ohnehin an die Wiener Städtische Versicherung - manche träumten ja bereits vor dem Debakel von einem neuen "roten" Finanzimperium.
Bankenskandal weitet sich nach Kärnten aus
Die Bawag-Affäre hat ungeahnte Fernwirkungen: Auch bei der Regionalbank Hypo Alpe-Adria, die sich knapp zur Hälfte im Eigentum des Landes Kärnten befindet, flog vorige Woche eine fehlgegangene Millionen-Spekulation auf. Da nun feststeht, daß die von der Bawag beauftragten externen Rechnungsprüfer zumindest fahrlässig an der Verlust-Verschleierung mitgewirkt haben und niemals die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre hätten akzeptieren dürfen, erfaßte offenbar auch einen der zwei mit der Hypo Alpe-Adria befaßten Prüfer die Angst. Er zog seinen Prüfvermerk für die Bilanz 2004 zurück und informierte die Finanzmarktaufsicht. Man muß sich nun fragen, ob nicht auch bei anderen Banken Leichen im Keller liegen und ob es unter Rechnungsprüfern nicht noch mehr schwarze Schafe gibt.
Für die Hypo Alpe-Adria geht es um 330 Millionen Euro, die 2004 bei Devisen-Spekulationen flötengingen und von denen 120 Millionen erst in der Bilanz 2005 abgeschrieben werden sollten. Soweit bisher bekannt ist, dürfte es sich bei den Geschäften um den Alleingang eines jungen Händlers gehandelt haben - er ist der Sohn eines SP-Mitglieds der Kärntner Landesregierung. Der Vorfall ist deswegen besonders irritierend, weil die Bank, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich nach Slowenien, Kroatien und Bosnien expandierte, zur Gänze privatisiert werden soll. Möglicherweise muß nun der für 2007 geplante Börsengang verschoben werden. RGK |
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