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Im Jugendlichkeitswahn

 
     
 
Es waren zwei Welten, die da nicht aufeinander-, sondern aneinander vorbei prallten: Alice Schwarzer, die Ober-Emanze der Nation, und Verona Feldbusch, das blondinenhafte Fernseh- und Werbe-Dummchen. Die streitbaren Damen trafen sich zum quotenträchtigen Rededuell in der "Johannes-B.-Kerner-Show", bei einem Moderator, der mit zunehmender Sendedauer in der Versenkung verschwand und bei seinen hilflosen Versuchen, wenigstens ein paar seiner vorbereiteten Fragen loszuwerden, von Frau Schwarzer verspottet wurde: "Ach, sind Sie auch noch da?"

Normalerweise hätte man sich eine solche Sendung – und auch eine Nachbetrachtung – sparen können. Zu bemerkenswerten Resultaten konnte die TV-Gesprächsrunde schon deshalb nicht führen, weil die beiden Damen permanent aneinander vorbeiredeten. Frau Schwarzer sprach über die Frauen insgesamt, Frau Feldbusch sprach über eine Frau, nämlich über Frau Feldbusch. Interessant wurde das ganze eigentlich erst durch die Ergebnisse der unvermeidlichen Meinungsumfragen
: 62 Prozent sahen Frau Feldbusch als "Siegerin"; gar 81 Prozent fanden sie "witziger" – es darf gelacht werden!

Aber worüber eigentlich? Die Reaktion des Fernsehpublikums – nicht bei einem schmuddeligen Privatsender, sondern beim altehrwürdigen ZDF – offenbart eine Werteskala, die alles andere als lustig ist, nämlich tieftraurig. Denn Frau Feldbusch, die ja als Mensch ganz nett und sympathisch sein mag, steht weit über den Bereich der Werbespots hinaus für ein Menschenbild, das weitgehend die heutige Gesellschaft prägt: Jung muß man sein, schlank und schön, sexy und frech, dann gilt man etwas in diesem Lande.

Dieser Jugendlichkeitswahn greift inzwischen auch tief ins Berufsleben hinein. Ältere Arbeitnehmer werden, teils auf die sanfte Tour, mit Teilzeit, Vorruhestand oder Abfindungen, teils auch rücksichtslos mit Mobbing um ihre Arbeitsplätze gebracht. Ab 50 hat man dann kaum noch Chancen, eine neue Stelle zu finden. Und das Gerücht vom Dauerarbeitslosen, der fürs Nichtstun genauso viel kassiert wie andere für harte Arbeit – das gilt für die Angehörigen dieser Altersgruppe nachweislich nicht. Sie müssen erhebliche materielle Einbußen in Kauf nehmen.

Und oft genug müssen sie dann auch noch mit ansehen, wie Jüngere ihre Stelle einnehmen, die weder Berufs- und Lebenserfahrung noch Leistungsbereitschaft mitbringen. Ihr einziges "Verdienst": Sie sind jung. Was daran allein schon so verdienstvoll sein soll, hat mir allerdings noch niemand erklären können. Genauso wenig, wieso der unübersehbar gelungene Körperbau ein persönliches Verdienst der Frau Feldbusch sein soll.

Aber allzu leichtfertig wird in unserer modernen Gesellschaft der Mensch fast nur noch nach solchen Kriterien bewertet. Traditionelle Werte werden zu "Sekundärtugenden" degradiert. Stattdessen zählen nur noch Sekundär-Eigenschaften. Die Folgen sind fatal. In immer mehr Bereichen – Bildung, Wirtschaft, um nur zwei besonders wichtige zu nennen – ist Deutschland nur noch Mittelmaß oder wird gar zum Schlußlicht.

Man muß nicht unbedingt die politischen Positionen der "Emma"-Herausgeberin teilen: Aber etwas mehr Schwarzer und etwas weniger Feldbusch täte unserem Volke ganz gut.

 
     
     
 
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