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Im Kessel des Hasses

 
     
 
Martha Dodd hat gerade eine gescheiterte Ehe hinter sich, als ihr Vater 1933 vom US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt als Botschafter nach Berlin gesandt wird. Da die 24jährige nichts in den USA hält, entscheidet sie sich, erst einmal ihre Eltern in das ihr unbekannte Land zu begleiten. Während ihr Vater, der einst in Leipzig studiert hat, sich von den neuen Machthabern abgestoßen fühlt, ist seine Tochter begeistert von dem Tatendrang, der überall spürbar ist. Für sie ist der Versailler Vertrag
eine Schande, und daß sich die Deutschen jetzt dagegen auflehnen, empfindet sie als rechtens. Sie lernt zahlreiche NS-Größen kennen, und mit einigen verabredet sie sich auch privat. Doch irgendwann kann sich Martha Dodd auch nicht mehr vor dem verschließen, was sie selbst sieht. So muß sie miterleben, wie eine junge Frau von einem Pulk von Menschen mit Knüppeln geschlagen und wild beschimpft wird, weil sie sich "mit einem Juden eingelassen hat". Auch darf sie ein Konzentrationslager besuchen. Beides versucht sie als Einzelfall zu werten. Nachdem aber Bekannte von ihr verschwinden oder aus Deutschland fliehen müssen, erkennt sie immer mehr die dunkle Seite des Systems.

1937 kehrt sie mit ihren Eltern zurück in die USA und schreibt sofort ihre Erlebnisse und Eindrucke nieder. Unter dem Titel " Trough Embassy Eyes" wird das Buch in den USA und Großbritannien zum Bestseller.

Martha Dodds eindrucksvolle Beschreibungen, die vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erscheinen, zeigten schon damals auf, wie gefährlich die Nationalsozialisten waren. Die damals 28jährige charakterisierte aussagekräftig einige NS-Größen, was der Welt die Augen hätten öffnen können, mit wem sie es zu tun hatte. Auch beschreibt sie die Unterdrückung, die Hitler gegen die Juden und auch sein eigenes Volk betrieb. Beeindruckend sind ihre Schilderungen über die eingeschüchterten Menschen, denen überall klar gemacht wurde, daß sie beschattet wurden und jederzeit ohne Verhandlung verhaftet werden konnten. Berichte über grauenhafte Foltermethoden machten schon Mitte der 30er die Runde.

"Obwohl schon oft berichtet wurde, mit welch subtilen oder auch augenfälligen Methoden das Ziel erreicht werden soll, scheint es so, als hätten sich die anderen Völker und ihre führenden Politiker an den alltäglichen Horror und die alltägliche Brutalität in Deutschland gewöhnt. Doch damit machen sie sich schuldig. Es gibt zahlreiche Bücher über die Konzentrationslager, die Ermordung des jüdischen Volkes, die gnadenlose Verfolgung jener Menschen, die nicht aus voller Überzeugung hinter Hitler stehen. Doch das menschliche Gedächtnis ist kurz und anscheinend haben wir gelernt, nicht nur die mörderische Kriegsführung mit entsetzlichen Luftangriffen auf die Zivilbevölkerung zu akzeptieren, sondern auf die unfaßbar bittere Tatsache, daß in Deutschland tagtäglich unschuldige Opfer im brodelnden Kessel des Hasses sterben."

Daß dieses so ungewöhnliche Einblicke vermittelnde Buch erst 66 Jahre nach seiner Veröffentlichung erstmals vollständig auf Deutsch erscheint, ist wahrhaftig erstaunlich. Fritz Hegelmann

Martha Dodd: "Nice to meet you, Mr. Hitler! - Meine Jahre in Deutschland 1933 bis 1937", Eichborn, Frankfurt 2005, geb., 445 Seiten 24,90 Euro
 
     
     
 
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