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Korruption ist teuer. Nach Schätzungen der Weltbank kostet sie global jeden Erwerbstätigen sieben Prozent seiner Arbeitsleistung. Auf einen zweistelligen Milliardenbetrag schätzen Experten die jährlichen Verluste durch Korruption in Deutschland. Korruption ist strafbar, in Deutschland für Amtsträger wie Unternehmer oder Privatpersonen, aktiv (Vorteilsgewährung) wie passiv (Vorteilsnahme). Korruption zerstört Wettbewerb, Arbeitsplätze, Unternehmen und bei Politikern deren Ruf: Die Leistungsfähigkeit des Staates nimmt ab.
Spektakuläre Beispiele für unsaubere Geschäfte weist die jüngere Geschichte der Bundesrepublik genug auf. Die "Bankgesellschaft Berlin" machte durch riskante Immobilienkredite und zweifelhafte Fonds Milliardenverluste. Diese größte Bankenkrise der deutschen Nachkriegsgeschichte verursachte enorme Verluste für die Stadt Berlin und kostete deren Regierenden Bürgermeister Diepgen (CDU) 2001 das Amt. Auch die Affäre um Lustreisen und Bordellbesuche auf VW-Firmenkosten, abgerechnet ausgerechnet vom Managerkonto des Sozialreformers Peter Hartz, gestattete Einblicke in tiefe Abgründe einer inzwischen offenbar weitflächig etablierten Unternehmens(un)kultur.
Wie sonst hätten so viele Top-Manager so tief sinken können - nur ein Verlust von Integrität und Anstand auf breiter Ebene erklärt derart umfangreiche Fälle von Veruntreuung, Gefälligkeiten und Bestechlichkeit.
Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen BMW sowie den französischen Zulieferer "Faurecia". Nur wegen besonderer Zuwendungen gingen französische Auto-Lederbezüge auch an VW und Audi. Wollte Faurecia die Aufträge, waren Hunderttausende Euro extra an bestimmte Manager zu zahlen.
Es paßt ins Bild, wenn inzwischen schon vergleichsweise offensichtliche bis harmlose Doppelfunktionsträger in Politik und Wirtschaftsverbänden mit ihren geteilten Loyalitäten erregte Debatten hervorrufen. Das öffentliche Bewußtsein ist geweckt. Dieser Verfall politischer wie unternehmerischer Kultur läßt sich sicher nicht allein auf allgegenwärtige Medien- und Informationsflüsse zurückführen, die das Verheimlichen erschweren. Interessenskonflikte als Vorstufe von Korruption werden von Mandatsträgern nicht mehr im wünschenswerten Maß gemieden. Der Fall Reinhard Göhner (Doppelfunktion als Bundestagsabgeordneter und Arbeitgeber-Spitzenfunktionär) zeigt, daß es längst nicht mehr um tatsächliche Verstrickungen gehen muß, um den Verdacht von Vorteilsnahme auszulösen.
Verhaltenskodices, früher "ungeschriebene Gesetze", werden zunehmend schriftlich fixiert. Das Selbstverständliche muß wieder erklärt werden - so 2004 beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller. Ein Kodex in Unternehmen bedingt leider meist zudem in der Praxis, daß die Öffentlichkeit wenig über einen Korruptionsfall erfährt. Eine "Taskforce" gegen Korruption halten die Bundesländer Sachsen und Nordrhein-Westfalen für nötig, um den komplexer werdenden Korruptionsnetzwerken entgegenzuwirken. Wegen Bestechlichkeiten in der Landesentwicklungsgesellschaft war Nordrhein-Westfalen 2005 in der Verlegenheit, gleich die eigene Landesregierung ins kurz zuvor selbst angelegte Korruptionsregister eintragen zu müssen. Düsseldorf entschied dagegen - es sei alles zur Aufklärung unternommen, so die Begründung.
Weil Korruption selbst bei bestem Willen schwer zu durchschauen ist, setzt Hamburg als erstes Bundesland seit März 2004 per Gesetz eine Art "schwarze Liste" (Korruptionsregister) um, auf der Firmen verzeichnet sind, die der Korruption schuldig befunden werden. Schon im folgenden Jahr wollte dieselbe Regierung des Stadtstaates das Register am liebsten aber wieder abschaffen:
"Lücken im Gesetz". Immerhin hat sich die Zahl der Korruptionsverfahren in der Hansestadt seither fast verdoppelt. Andere Bundesländer folgten der Regelung, wenn auch mit weniger bindenden Verordnungen.
Eine UN-Konvention gegen Bestechung von Parlamentariern wollten deutsche Politiker mehrheitlich lange nicht unterzeichnen. Laut "Transparency International" (Internationale Transparenz, siehe unten) verweigerten die Volksvertreter diese Anklagechance mit dem Argument, niemand habe einen Vorteil davon, sie zu bestechen - es würde auch nicht versucht. Auch seien generelle Verhaltensregeln schwer festzulegen.
Deutschland ist längst kein Staat mit weißer Weste mehr. Die vor neun Jahren vom Bundestag verschärften Korruptionsgesetze greifen zu kurz, wenn Politiker sich selbst auszunehmen versuchen. In der internationalen Korruptionsrangliste von "Transparency" rutscht die Bundesrepublik von Erhebung zu Erhebung weiter ab. Die Korruptionsbekämpfer plazieren Deutschland in ihrem Index der durchsichtigsten Volkswirtschaften der Welt derzeit auf dem 16. Platz.
Zeitzeugen
Ludwig-Holger Pfahls - Der vormalige Bundesverfassungsschutzpräsident und Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium wurde am 12. August 2005 wegen Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Pfahls entging einer Verurteilung wegen Bestechung, weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er für die nicht versteuerten rund zwei Millionen Euro des Waffenhändlers und Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber eine politische Gegenleistung erbracht hat.
Klaus Volkert - Der Duzfreund von Gerhard Schröder und führende Repräsentant des "System Volkswagen" mußte letztes Jahr als Betriebsratsvorsitzender von Volkswagen zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, wie er sich vom VW-Vorstand hatte aushalten lassen.
Otto Friedrich Wilhelm Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff - Der 79jährige gebürtige Aachener trat am 27. Juni 1984 wegen seiner Verwicklungen in die Flick-Spendenaffäre als Bundeswirtschaftsminister zurück. Drei Jahre später wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieses bedeutete jedoch nicht das Ende der politischen Karriere. Vielmehr stand er von 1988 bis 1993 als Bundesvorsitzender an der Spitze der FDP. Heute ist er mit Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel einer ihrer drei Ehrenvorsitzenden.
Pierre Lévi - Der ehemalige Chef des französischen Autozulieferers "Faurecia" mußte zurückgetreten, nachdem er zugegeben hatte, von Schmiergeldzahlungen seines Unternehmens für Aufträge deutscher Automobilproduzenten gewußt zu haben.
Robert Hoyzer - Nach anfänglichem Leugnen hat der 26jährige Berliner zugegeben, gegen Geld- und Sachzuwendungen als Schiedsrichter den Ausgang einiger der von ihm gepfiffenen Fußballspiele regelwidrig beeinflußt zu haben, um Teilnehmern an Sportwetten Gewinne zu ermöglichen. Hoyzer wurde am 17. November vom Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt. |
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