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Georg Riedel war Altpreuße von Geburt, was bei keinem der großen Königsberger Musiker, außer Stobäus, der Fall war. Er wurde am 6. Juni 1676 in Sensburg geboren, wo später sein Bruder Johann, einer der ersten Vorgeschichtsforscher, Pfarrer war. 1694 wurde er bei der Königsberger Universität, als "pauper" bezeichnet, immatrikuliert. Einen musikalischen Lehrmeister gewann er in dem Leiter der Hofkapelle, Georg Raddäus, bei dessen Geburtstagsfeier 1698 er sich in einem Gratulationsgedicht "theol. et phil. stud." nennt. Durch Raddäus kommt der junge Studiosus zur Hofkapelle, deren Präzentor er wird. In dieser Eigenschaft und als musikalischer Vormann der Studentenschaft wirkt er an einer selbstkomponierten Abendmusik der Studentenschaft bei den Krönungsfeierlichkeiten am 21. Januar 1701 mit. Von jetzt an wird er reichlich mit Aufträgen für Gelegenheitskompositionen bedacht, die ihm durch Dö-ring später den Ruf des am meisten in Anspruch genommenen Gelegenheitssängers in Königsberg einbringen.
Der Tod seines Lehrmeisters Raddäus (1707) hat die zeitweilige Auflösung der Königsberger Hofkapelle zur Folge. Durch seine durch Gelegenheitskompositionen erworbenen guten Beziehungen zum Altstädtischen Rat hatte Riedel bereits 1706 eine Präzentor- und Collaboratorstelle bei der Stadtschule erhalten und besaß die Anwartschaft auf das Kantorat, das zu den führenden Musikämtern der Stadt gehörte.
Bald zog die Pest verheerend in Königsberg ein, aber der Würgeengel schlug ihm eine Bresche. 1709 stirbt der altstädtische Kantor Christian Stephani an der Pest, und der Rat vergibt die Stelle an Riedel. ... Fast 30 Jahre hindurch versieht Riedel das Kantorat ... Für seine eigene Leichenfeier komponierte er zu Lebzeiten eine Trauerkantate, deren Text gedruckt wurde. Die letzten Lebensjahre Riedels gehörten den riesigen Partituren des Königsberger Stadtarchivs und stehen abseits aller kultischen Pflichtarbeit des Kantors, obwohl einzelne Psalmen und Bruchstücke nachweislich von ihm in seinen Gottesdiensten aufgeführt wurden. ...
Im Gegensatz zu Bach, der dem neuen Zeitgeist des 18. Jahrhunderts in Kunstdichtung und Arienmelodik seine stärksten Wirkungen abzugewinnen vermag, schreibt Riedel Handlungsmusik im alten Sinne und gründet diese einzig auf das Bibelwort, das er als gläubiger Lutheraner in seiner Musik zu größtem Erlebnis des Evangelisten zu erheben vermag. Er krönt damit die alte Königsberger Tradition und mußte bei dem Wandel zum Rationalismus um 1750 gleich Bach mit ihr zu Grunde gehen. Hermann Güttler
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