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Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben", sagt Ines Kaselj und fügt hinzu: "Hier ist nun mal meine Heimat." Dennoch: An den trostlosen Anblick vom Franziskanerkloster oberhalb der Donau auf das völlig zerstörte Vukovar will sich die 30jährige nicht gewöhnen.
Dicht an dicht bilden die zerschossenen Dächer ausgebrannter Häuser auch noch Jahre nach dem Krieg ein Bild der totalen Verwüstung. Seit einigen Monaten ist die junge Frau für das katholisch e Bistum von Djakovo als Sozialarbeiterin tätig. "Für mich ist es eine Art Lebensaufgabe, beim Wiederaufbau mitzuhelfen", sagt Ines.
Parlaments- und Präsidentschaftswahlen haben in Kroatien für einen Kurswechsel gesorgt. Die seit der Unabhängigkeit 1991 mit straffer Hand regierende Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) mußte die Macht an die bisherige Opposition abgeben.
Ein Relikt des verstorbenen Präsidenten Franjo Tudjman sind die leeren Kassen der Öffentlichen Hand. Überall fehlt für den weiteren Wiederaufbau in den kriegszerstörten Gebieten das Geld. Betroffen ist vor allem Slawonien, das Gebiet ganz im Osten Kroatiens, wo der Kampf zwischen Kroaten und Serben am längsten dauerte und die meisten Opfer kostete.
Die katholische Kirche des Landes, 76 Prozent bekennen sich zu ihr, muß ihre Position neu abstecken. Unter Tudjman genoß sie fast uneingeschränkte Entfaltungsfreiheit.
Wegen des Geldmangels kann auch die Kirche materiell nicht viel für den Wiederaufbau tun. In etlichen Dörfern Ostslawoniens werden die Menschen deshalb selbst initiativ und beginnen mit dem Aufbau der zerstörten Gemeindezentren. In Vukovar hingegen dominiert weiterhin Perspektivlosigkeit.
Fast menschenleer gleicht der Ort einer Geisterstadt. Zu Tausenden waren seine Bewohner vor den Bombardements geflohen. Zwar ist der Geschützdonner nun verstummt, doch in die Häuserruinen will keiner zurück. Die meisten Menschen ziehen dem Wiederaufbau ein Leben in Flüchtlingssiedlungen weiter westlich vor.
"Es wäre utopisch anzunehmen, daß die Menschen bald wieder nach Vukovar zurückkehrten. Es gibt keine Arbeit, alles ist zerstört", sagt Vjckoslav Huzjak, Generalvikar des Erzbistums Zagreb. "Wer Glück hat, überlebt mit Hilfe von Verwandten im Ausland."
Der Haß zwischen Kroaten und Serben sitzt auch heute noch tief. Auf kroatischer Seite wirft man serbischen Heimkehrern vor, allein mit internationaler Rückendeckung, von der UNO-Flüchtlingskommission mit Geräten und finanziellen Ressourcen ausgestattet, die Rückkehr anzutreten.
Die entwurzelte Bevölkerung leide heute unter einem "Vietnam-Syndrom", betont Huzjak. Viele seien immer noch traumatisiert, und in den zerstörten Gebieten gebe es überdurchschnittlich viele Selbstmorde. Von den Kämpfen besonders getroffen sind die westslawonische Diözese Pozega sowie die ostslawonische Diözese Djakovo, wo 33 von 340 Kirchen komplett zerstört wurden.
Weiter westlich, im Bistum Pozega, bereitet Bischof Antun Skvorcevic neben dem Aufbau von Dörfern und Pfarreien vor allem die verheerende Situation von rund 10 000 katholischen Flüchtlingen aus dem Kosovo Kopfzerbrechen. "Allein schaffen wir es nicht, den Menschen Perspektive zu geben", sagt Skvorcevic, der ein Existenzgründungsprogramm für Jugendliche in den Flüchtlingsdörfern plant.
Staatliche Stellen haben sich als völlig überfordert erwiesen. Wären da nicht internationale Organisationen wie das Hilfswerk "Kirche in Not", das insgesamt 175 000 Mark Winterhilfe bereitstellte, die Lage wäre wohl vollends aussichtlos.
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