A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Kurs

 
     
 
Neun Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September zeichnet sich ab, daß sich an diesem Tag entscheiden wird, ob künftig in Deutschland die Kommunisten der PDS direkt oder indirekt mitregieren werden. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, daß diese Partei mehr als fünf Prozent der gültigen Stimmen erzielt, ihr genügen drei Direktmandate, um den Bundestag zu erreichen und alle für sie abgegebenen Stimmen in Mandate umzuwandeln. Das erscheint immerhin möglich.

Trotz aller Beteuerungen des derzeitigen Bundeskanzlers und der Erklärungen führender SPD-Funktionäre, daß eine Zusammenarbeit mit der PDS für sie nicht in Frage komme, werden die Sozialdemokraten (und natürlich auch die an Dienstwagen
gewöhnten Grünen) keinen Augenblick zögern, die PDS-Stimmen bei der Kanzlerwahl im Bundestag dankbar zu akzeptieren. Das Verhalten der SPD in den Ländern Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und damit die Pflege der PDS als Mehrheitsbeschaffer im Bundesrat spricht eine deutliche Sprache.

Die sozialistische Taktik bleibt gleich: Während der SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel, die Koalition mit der PDS für möglich erklärt, meint in Mainz der SPD-Ministerpräsident Kurt Beck treuherzig wie immer, die PDS komme nicht in Frage, und zwar "garantiert". Der SPD-Sprecher für Innenpolitik, Dieter Wiefelspütz, sieht hingegen diese Frage nur taktisch: Ein Flirt mit der PDS sei "kontraproduktiv" und würde "die Wahlchancen spürbar verringern". Als Fazit kann jeder Wähler wissen: Die SPD ist auf Wowereit-Kurs, sie zu wählen, ist ein Risiko.

Auf welchem Kurs die Unionsparteien und die FDP sind, ist so klar nicht. Weil bei den Liberalen alles möglich ist, weiß man nicht einmal, ob sie sich nicht auch den Spaß erlauben, mit Kanzler Schröder gemeinsame Sache zu machen, vielleicht, um diesen vor den Kommunisten zu bewahren. Da zu einem "Kanz-

lerkandidaten" auch ein Beraterteam gehört, hat Guido Westerwelle die Frau Direktor Margarita Mathiopoulos einbezogen, die vor 15 Jahren schon Willy Brandt einmal als Pressesprecherin haben wollte, aber nicht haben durfte. Beraterin M. trat sofort der FDP bei. Hat sie doch nach eigenem Bekunden einen "Amerikanischen Traum", nämlich die Vision von Thomas Jefferson. Mit Guidos (und Möllis) "Projekt 18" habe nun auch ihr "deutscher Traum" die Chance, Wirklichkeit zu werden, meinte die liberale Traumtänzerin. Möllemann sei schließlich gar nicht so "dumpf" wie Haider und Le Pen. Schließlich habe Cornelia Pieper in Sachsen-Anhalt auch über 13 Prozent der Wähler erreicht, die an die Realisierbarkeit des deutschen Traumes glaubten. Die wirklich gute Nachricht daran sei, "daß nicht nur West-, sondern auch Ostdeutsche die Wahrheit vertragen ...".

Vor 13 Jahren klang das bei der Politikwissenschaftlerin noch ganz anders. Damals, 1989, hatte sie den "formellen Verzicht auf Wiedervereinigung und die endgültige Anerkennung eines zweiten deutschen Staates und der ostdeutschen Staatsbürgerschaft" verlangt, wenn es der Bundesrepublik wirklich um Freiheit und Reformen in der DDR zu tun sei. "Wir müssen die Teilung Deutschlands anerkennen, um die Teilung Europas zu überwinden", träumte Frau Mathiopoulos damals. Später beklagte sie mit anderen Gegnern und Feinden der Wiedervereinigung den Untergang der DDR. Hans-Dietrich Genscher wird sich über diese neue Parteifreundin freuen.

Wenig Freude haben auch viele Stammwähler der Unionsparteien an der Berufung der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche in das Kompe-

tenzteam des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Der persönliche Lebensstil einer Bundestagsabgeordneten ist ihre Privatsache. Frau Reiches Berufung in das Kompetenzteam, obendrein ausdrück-lich als "Grundsatzentscheidung" bezeichnet, kann als Opferung des christlichen Familienbildes auf dem Altar des Zeitgeists und der "Mitte" mißverstanden werden. Viele fragen sich, ob hier Dämme eingerissen und Glaubwürdigkeiten gefährdet wurden. Nun steht Stoiber ganz und gar ein Hirtenbrief ins Haus.

Es wäre gefährlich, wenn der Eindruck entstünde, die Union kalkuliere kaltschnäuzig, daß die konservativen Wählerschichten ohnehin keine Alternative hätten. Eine reale internationale atomgestützte militärische Bedrohung wie in früheren Jahrzehnten, die viele nach dem Motto handeln ließ "Augen zu: CDU", gibt es nicht mehr. Während es im "progressiven" Politik-Spektrum ein vielfältiges Angebot gibt (SPD, Grüne, PDS und - mit Einschränkung - FDP) fehlt im Gegensatz zum europäischen Standard ein solches Angebot für das "bürgerlich-konservative" Spektrum in Deutschland.

Es könnte schneller entstehen, als es den Unionsparteien lieb ist, und dann in Konkurrenz zu ihnen statt in freundschaftlicher Toleran
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Schnellrichter?

Für Sie entdeckt

Otavalo

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv