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Land der Dichter und Denker

 
     
 
Humanistisch Gebildete, Italienliebhaber und Kreuzworträtselfreunde haben es schon immer gewußt: Pisa - da ist doch irgend etwas schiefgelaufen, da hat man "auf Sand gebaut", da herrscht wahrhaft fundamentaler Mangel! Nun wissen es auch alle anderen: Die Studie, die trotz aller reizvollen Parallelen mit der gleichnamigen italienischen Stadt rein gar nichts zu tun hat, offenbarte fundamentale Defizite unseres Bildungssystem
s - das einstige Volk der Dichter und Denker ist in Schieflage geraten, Schulen und Universitäten scheinen "auf Sand gebaut", Deutschland ist allenfalls noch Mittelmaß.

Freilich ist die PISA-dokumentierte Katastrophe keineswegs plötzlich, unerwartet und sozusagen über Nacht über unser Land gekommen. Ein 80-Millionen-Volk geht nicht abends als "kollektives Genie" ins Bett, um am nächsten Morgen als Dummkopf aufzuwachen. Nein, es war ein quälend langer Weg vom geistigen Niveau Goethes und Kants zur fernsehverdummten Sprechblasen-"Kultur", von Thomas Manns Buddenbrooks zur "short message" auf dem Handy.

Jahrzehntelang wurden unsere Schulen kaputtreformiert, wurde unseren Kindern systematisch jegliche Leistungs- und Lernbereitschaft genommen; "Spaß" sollten sie haben, aber nicht unbedingt Spaß am Lernen, Spaß an Bildung und Wissen!

Die PISA-Studie hat Deutschland im internationalen Vergleich eine beschämend schlechte Position zugewiesen, und im nationalen Vergleich zeigt sie ein auffälliges Gefälle. Wobei hier auch einmal die "gute Nachricht" genannt werden soll: Anders als bei den meisten wirtschafts- und sozialpolitischen Themen gibt es hier endlich einmal keinen Ost-West-Gegensatz! Dafür aber ein ausgeprägtes Süd-Nord-Gefälle. Auch diese Erkenntnis ist übrigens nicht ganz neu. Allerdings galt sie bis PISA als politisch nicht ganz korrekt. Ohnehin ist sie mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Immerhin schneiden die nördlichsten aller "Nordlichter", die Schleswig-Holsteiner, deutlich besser ab, als sie das aus südlich-elitärer Sicht eigentlich dürften.

Kaum ist durch die Studie das Bildungsnotstands-Tabu gebrochen, beginnt die Suche nach den Schuldigen - natürlich immer bei den anderen. Die Rechten beschuldigen die Linken, womit sie angesichts der Dominanz linksgewirkter 68er an Schulen und Universitäten nicht ganz Unrecht haben. Die Linken kontern: Sie seien von den Rechten gehindert worden, ihren antiautoritären Reformkurs bis zum Ende zu gehen. Die Länder kritisieren den Bund, "übersehen" aber taktvoll (sprich: wahlkampfbedingt), daß Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn im Kabinett Schröder zu den Aktivposten zählt. Der Kanzler schlägt zurück, erklärt die zuständigen Länderminister pauschal und parteiübergreifend zu "Sitzenbleibern". CDU und CSU verweisen, gewiß nicht unberechtigt, auf die etwas besseren Ergebnisse in den von ihnen regierten Ländern. Die SPD versucht mit bemerkenswerter Kreativität, wenigstens diesen Teil der Statistik zu entkräften. Und auch das gehört dazu:

Die Lehrer schimpfen über die Eltern, diese wiederum über die Lehrer, die Schüler schließlich über Eltern und Lehrer, alle gemeinsam über die Politiker usw.

Welch ein Glück, daß die PISA-Autoren das Niveau dieser deutschen Nach-PISA-Diskussion nicht in ihre Studie einfließen lassen konnten! Möglicherweise wären wir dann noch ein paar Plätze weiter hinten gelandet. So können wir hoffen, daß unsere Politiker nach den ersten Aufgeregtheiten bald dazu übergehen, die seit Jahrzehnten aufgebauten (und bekannten) Ursachen der Bildungsmisere zu benennen und energisch zu bekämpfen. Wie sie das bewerkstelligen wollen, sollten sie uns, dem Volk, bitte rechtzeitig vor der nächsten Wahl sagen - und nicht erst nach der nächsten PISA-Studi
 
     
     
 
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