|
Im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 war die aus den beiden deutschen Großmächten bestehende Allianz ihrem dänischen Gegner militärisch überlegen. Die größte Gefahr bestand für Preußen und Österreich deshalb darin, daß Dänemark unter den Neutralen Kriegsverbündete fand. Preußens Ministerpräsident Otto v. Bismarck war deshalb peinlich darauf bedacht, den nichtdeutschen Großmächten im allgemeinen und dem dänemarkfreundlichen Großbritannien im besonderen möglichst wenig Grund und Anlaß zu einer militärischen Intervention auf seiten Dänemarks zu geben. Nolens volens reagierte er denn auch positiv, als die Briten zu einer international en Friedenskonferenz in ihre Hauptstadt luden, um den Dänen die drohende militärische Niederlage zu ersparen.
Am 19. März 1864 schlug England Verhandlungen auf Basis des Londoner Protokolls von 1852 vor. Preußen erklärte sich zur Teilnahme an "einer freien Konferenz ohne vorher festgestellte Basis" bereit, und nach einer entsprechenden preußischen Empfehlung tat dies auch Österreich. Am 25. April begann in London eine internationale Konferenz mit dem Ziel, eine friedliche Lösung für die Schleswig-Holstein-Frage zu finden.
Bereits beim Silvesterpunsch 1863 hatte Preußens Regierungschef im vertrauten Kreise kundgetan, daß ein preußisches Schleswig-Holstein sein Ziel war. Bismarck wäre allerdings nicht der flexible Realpolitiker gewesen, der er war, wenn er sich nicht, je nach Lage, auch mit Kompromißlösungen zufriedengegeben hätte. Er selber sprach bezüglich Schleswig und Holstein von einer Klimax, "daß die Personalunion der Herzogtümer besser war als das, was existierte, daß ein selbständiges Fürstentum besser war als die Personalunion und daß die Vereinigung mit dem preußischen Staat besser war als ein selbständiges Fürstentum".
Da Bismarck es vermeiden wollte, daß Neutrale Preußen für ein mögliches Scheitern der Konferenz verantwortlich machten und mit der Begründung mangelnder preußischer Konzessionsbereitschaft und Friedensliebe auf der Seite Dänemarks in den Krieg eintraten, instruierte er die preußische Delegation, sich notfalls auch mit der Personal-union zwischen Dänemark und den Elbherzogtümern zufriedenzugeben.
Um diese Lösung für den dänischen König Christian IX. unattraktiv zu machen und um die "Up ewig Ungedeelten" vor erneuten dänischen Zumutungen wie der eiderdänische Novemberverfassung zu schützen, einigte sich Bismarck mit den Österreichern, ihre gemeinsame Zustimmung an folgende Bedingungen zu knüpfen: "1. Staatliche Selbständigkeit der unter sich vereinigten Herzogtümer nach Analogie von Norwegen; 2. gemeinschaftliche und einheitliche Landesvertretung der Herzogtümer, 3. Erhebung Rendsburgs zur Bundesfestung; 4. Einrichtung eines Schiffahrtskanals von der Nord- zur Ostsee für große Schiffahrt; 5. Einrichtung einer deutschen Flottenstation an der Ostseeküste; 6. Eintritt Schleswigs in den Deutschen Bund; 7. Garantie der Verfassung der Herzogtümer durch den Bund."
Wie erhofft, lehnte Dänemark ab. Damit war die Personalunion vom Tisch. Gemäß Bismarcks Klimax war die nächste Lösung ein "selbständiges Fürstentum". Ohne das Londoner Protokoll von 1852 und dessen Eingriff von außen in die schleswig-holsteinische Erbfolgeregelung wäre in Schleswig-Holstein nach dem Tode des letzten Oldenburgers Friedrich VII. 1863 nicht wie in Dänemark Prinz Christian aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, sondern Erbprinz Friedrich von Augustenburg Herrscher über Schleswig und Holstein geworden, und so trat der Deutsche Bund für ein selbständiges Schleswig-Holstein unter dem Augustenburger ein, und auch Österreich tat es, nachdem die Personalunionslösung vom Tisch war.
Falls Friedrich eine reelle Chance hatte, auf der Londoner Konferenz die Herzogtümer zugesprochen zu bekommen, dann verlor er diese spätestens in seiner Unterredung mit Bismarck am Abend des 1. Juni 1864 in Berlin. In dem Gespräch mit dem Augustenburger, der Bismarck schon wegen seiner politisch liberalen Gesinnung unsympathisch war, forderte der preußische Kabinettschef von einem selbständigen Schleswig-Holstein unter Friedrichs Herrschaft diverse Zugeständnisse. Die Rede war von einer Militärkonvention mit Preußen, dem Eintritt in den preußisch dominierten Zollbund, der Überlassung Kiels als Bundeshafen sowie der Abtretung eines größeren Gebietes am Kanal zum Bau sogenannter Kanalschlösser für eine preußische Garnison. Friedrich, dessen Selbstbewußtsein durch eine vorausgegangene vielversprechende Audienz beim preußischen König Wilhelm I. gestärkt war und dem wohl auch österreichischerseits davon abgeraten worden war, Konzessionen an Preußen zu machen, machte in dem Gespräch mit Bismarck hinsichtlich der von diesem gestellten Forderungen "in allen Punkten Schwierigkeiten", wie es Preußens Ministerpräsident formulierte.
Deshalb telegrafierte Bismarck dem preußischen Delegierten auf der Londoner Konferenz Albrecht Graf v. Bernstorff bereits an dem dem Gespräch mit dem Augustenburger folgenden Tag: "Nach eingehender Verhandlung mit Erbprinz Augustenburg erscheint es mir im speziell preußischen Interesse geboten, die Kandidatur desselben für jetzt nicht weiter zu fördern, als bereits geschehen, und, sobald Einwendungen gegen dieselbe laut werden, zu erklären, daß der dynastische Teil unserer Vorschläge nicht die Hauptsache in denselben ist."
Für die Dänen war ein selbständiges Fürstentum noch unattraktiver als ein per Personalunion mit ihnen verbundenes Schleswig-Holstein, und so war die Idee eines selbständigen Fürstentums unter den Augustenburgern spätestens seit Anfang Juni 1864 ohne Realisierungschance.
Großbritannien schlug nun eine Teilung Schleswig-Holsteins vor, um Dänemark wenigstens einen Teil der Elbherzogtümer zukommen zu lassen. Von den drei auf der Londoner Konferenz diskutierten Modellen kam dieses Bismarcks Ideallösung für die Schleswig-Holstein-Frage am nächsten, da es zumindest die Vereinigung eines Teils der "Up ewig Ungedeelten" mit dem preußischen Staat in Aussicht stellte.
Die Frage war allerdings, wo die Elbherzogtümer zu teilen seien. Hier nun wieder zeigte sich der ungeheure Pragmatismus des "weißen Revolutionärs", der wußte, daß im überwiegenden Teil der Elbherzogtümer die Deutschen die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Obwohl kein Demokrat, machte sich Bismarck geschickt die Forderung des Kaisers der Franzosen Napoleon III. nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zu eigen und schlug ein Plebiszit vor. Dieser Vorschlag verfehlte zwar auf der Konferenz in der Abstimmung vom 18. Juni 1864 die Mehrheit, doch schlug nun Großbritannien als Alternative einen neutralen Schiedsspruch vor.
Während Bernstorff in der entscheidenden Konferenzsitzung vom 22. Juni 1864 erklärte, daß die deutschen Mächte bereit seien, wenn auch keinen neutralen Schiedsspruch, so doch immerhin eine neutrale Vermittlung zu akzeptieren, lehnte sein dänischer Kollege George Joachim Quaade den englischen Vorschlag a limine ab. Damit war auch dieser britische Lösungsversuch an Dänemark gescheitert. Drei Tage später endete mit dem auf der Konferenz geschlossenen Waffenstillstand auch die Konferenz selber.
Die Verantwortung für das Scheitern der Londoner Konferenz war eindeutig. Die Dänen hatten ihre letzte Chance vertan, der drohenden Niederlage zu entgehen. Isoliert standen sie nun einer militärischen Übermacht gegenüber, der sie sich wenige Monate später geschlagen geben mußten. D. Beutler
|
|