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Jahrzehntelang war er der Größte im Lande, jetzt ist er nur noch einer von 40.000: Medien-Mogul Leo Kirch, bislang Herr über mehrere private Fernsehsender, über Tausende von Spielfilmen und über weltweite Sport-Übertragungsrechte, ist pleite. Mit seinem Insolvenz- antrag reihte er sich Anfang der Woche ein in jene Rekordzahl, die Experten wie der Wirtschaftsinformationsdienst Creditreform für das Jahr 2002 erwarten. In einem allerdings bleibt Kirch sich selber treu: Unter den prognostizierten 40.000 Firmenzusammenbrüchen ist er mit schätzungsweise 6,5 Milliarden (das schreibt sich so: 6.500.000.000) Euro einsame Spitze.
Die Zukunft der Kirch-Sender, die vorwiegend mit Schmutz und Schund, Kitsch, Klamauk und Krawall Quote machen, ist noch ungewiß. Bis zu 10.000 Arbeitsplätze sind gefährdet, eine spektakuläre Zahl, die natürlich sofort die Politiker auf den Plan rief. Zumal gerade der Bundestagswahlkampf beginnt.
Unions-Kanzlerkandidat Stoiber ist natürlich bemüht, wenigstens Teilbereiche des bei München ansässigen Medienkonzerns zu retten. Daran muß er natürlich als bayerischer Ministerpräsident ein Interesse haben. Die Bayerische Landesbank ist einer der Kreditgeber der Kirch-Gruppe. Außerdem steht Kirch politisch der Union nahe.
Kanzler Schröder hält sich mit eigenen Sanierungsplänen zurück; offenbar hält ihn das Holzmann-Debakel davon ab, nun auch in Sachen Kirch mit der „Chefsache“ zu drohen. So gefällt der SPD-Chef sich vorerst darin, seinen Gegenkandidaten Stoiber als „inkompetent“ und „menschlich unanständig“ zu beschimpfen, freilich ohne dies näher zu begründen. Derweilen sorgte sich sein Parteifreund Clement um die Einkünfte kickender Jungmillionäre (oder vielleicht doch eher um das Wahlverhalten fußballbegeisterter NRW-Bürger?).
Unabhängig davon, welche Folgen die Kirch-Pleite nun wirklich haben wird - das eigentliche Problem unserer Wirtschaft ist die desolate Lage des Mittelstands. Hier nämlich sind die weitaus meisten der 40.000 Unternehmen angesiedelt, die in diesem Jahr Insolvenz anmelden müssen. Ihnen aber helfen weder Schröder noch Clement noch die Banken.
Auf den Punkt brachte es der Hamburger Gastwirt Peter Schneider. In einem Leserbrief, den das „Hamburger Abendblatt“ auf Seite 1(!) abdruckte, schreibt er: „Kirch … hat es geschafft, pro Angestellten etwa 600.000 Euro Kredit zu beschaffen. Wir als gesunder, selbst finanzierter Kleinbetrieb mußten leider wegen schwacher Wintermonate und Euro-Umstellung drei Mitarbeiter entlassen, da uns nicht einmal ein Dispositionskredit eingeräumt wird.“ Bleibt zu hoffen, daß möglichst viele Politiker aller Parteien diesen Brief lesen. Juliane Meier |
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