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Lug und Selbstbetrug

 
     
 
Es liegt ein Schatten über der nun begonnenen zweiten Amtszeit Schröders. Es fehlt nicht nur die politische Perspektive, geschweige denn die Vision, auch wenn der Kanzler sich in seiner Regierungserklärung bemühte, eine solche zu entwickeln. Begriffe wie Gerechtigkeit und Solidarität, die in keiner programmatischen Erklärung vor dem Hohen Haus fehlen dürfen, klingen irgendwie hohl. Der Bürger fühlt sich betrogen. Die sprachlichen Herkulesakte von Müntefering, Fischer und Co. haben den Beigeschmack
aus schlechten Filmen der sechziger Jahre. Dort stemmten Herkules und andere Helden riesige Felsbrocken aus Pappe. Ähnlich verhält es sich mit der Sprachregelung von der Kürzung steuer- licher Privilegien. Natürlich handelt es sich nur in manchen Fällen des rot-grünen Koalitionspapiers um reine Steuererhöhungen. Aber unter dem Strich bleibt eine höhere Belastung der Bürger und der Familien. Das klang vor dem Feste anders. Alle werden das zu spüren bekommen, und alle ahnen es zumindest schon. Deshalb fühlen sich mehr als zwei Drittel der Wähler von den Koalitionären betrogen.

Der Betrug hat Methode. Nicht nur, daß Schröder fahrlässig deutschen Einfluß in der Außenpolitik vernichtete - er hatte dem amerikanischen Präsidenten versprochen, das Thema Irak bis zur Entscheidungsreife ruhen zu lassen und es nicht in den Wahlkampf zu ziehen, de facto hat er mit dem Schüren von Kriegsangst die Wahl gewonnen. Auch beim Thema Nummer eins in der Wirtschaftspolitik, der Arbeitslosigkeit, hantierte er mit Nebelkerzen. Die Hartz-Kommission soll die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren halbieren. Aber sie kann nur die Vermittlung verbessern, keine neuen Stellen schaffen. Neue Stellen entstehen im Mittelstand, und der wird wegen der erhöhten Abgabenlast kaum investieren können. Nicht die Reduzierung, sondern die Steigerung der Arbeits- losenzahlen ist absehbar.

Dennoch soll das Modell Hartz jetzt auch auf zwei andere gesellschaftliche Großbaustellen angewandt werden, auf Renten- und Gesundheitssystem. Auch hier wird man nur an den Symptomen herumdoktern. Der Regierung Schröder fehlt der Mut zur ehrlichen Analyse. Dazu gehört, daß die rasante Alterung der Gesellschaft die Sozialsysteme lähmt, austrocknet und verkümmern läßt. Es fehlen die Kinder, nicht nur als künftige Beitragszahler, sondern auch als dynamisches und motivierendes Element für die Gestaltung der Zukunft. Gerade in diesem Bereich ist die rotgrüne Regierung in ihrer Ideologie gefangen. Sie will die Familie, jene Quelle, aus der sich die Sozialsysteme numerisch und qualitativ nähren, unter staatliche Kontrolle zwingen. Ein Beispiel: Die Förderung des Eigenheims für Familien wird gekappt. Man redet vollmundig von der Koppelung an die Kinderzahl. Aber im Vergleich zu heute stehen sich alle Familien mit weniger als sechs Kindern schlechter. Und wer hat schon sechs Kinder? Und kann dann noch bauen? Fazit: Man steckt Geld in die Objektförderung der Ganztagsbetreuung nach dem Motto: Staatliche Obhut statt Zuhause. Oder: Familie ist da, wo der Staat ist.

Der Betrug an den Familien ist der schlimmste der Regierung Schröder, eine Art Selbstbetrug. Aus ideologischem Gestrüpp herausgewuchert, wirft er den längsten Schatten auf diese 15. Legislaturperiode. Die Deutschen werden mit diesem Lug und Selbstbetrug leben müssen. Denn auch das ist Ideologen eigen: Sie krallen sich an der Macht fest, so lang es geht und um jeden Preis. Maria Klausner
 
     
     
 
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