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Machtkampf in Jerusalem

 
     
 
Es flogen die Fetzen. Die entscheidende Unterhaltung zwischen den beiden ehemaligen Generälen, Regierungschef Scharon und Ben Eliezer, Chef seines Koalitionspartners, der Arbeiterpartei, soll so lautstark gewesen sein, daß die Sekretariate im weiten Flur des Amtes vorsichtshalber in Deckung gingen. Kurz darauf schnaubte der Verteidigungsminister aus dem Büro des Premiers. Die Koalition war im wahrsten Sinn des Wortes geplatzt.

Scharon hat diese Schlacht gewonnen. Er gewann auch die nächste: Drei Mißtrauensanträge der Opposition konnte er dank der orthodoxen Parteien in der Knesset abschmettern. Die entscheidende Schlacht mit seinem innerparteilichen Rivalen, Benjamin Netanjahu
, steht ihm aber noch bevor. Der erste Versuch, den ehrgeizigen Widersacher in eine Kabinettsdisziplin einzubinden, ist fehlgeschlagen. Neuwahlen werden die neue Macht im Land bestimmen. Die wird der Likud-Block wohl gewinnen. Aber die Führung des Blocks ist noch unentschieden. So steht das Land also auf absehbare Zeit vor der Alternative Scharon oder Netanjahu. Für Arafat und israelskeptische Europäer ist es die Alternative zwischen Pest und Cholera. Dabei ist klar, und der jüngste Bericht der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagt es deutlich: Arafats Regierung hat mit ihrer Tatenlosigkeit gegenüber den Selbstmordattentätern maßgeblich zu einem Klima der Straflosigkeit gegenüber diesen "Kriegsverbrechern" beigetragen. So denkt man auch in Israel, und deshalb haben die Hardliner eine Mehrheit hinter sich. Seit Januar 2001 wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen bei 52 palästinensischen Selbstmordattacken rund 250 israelische Zivilisten getötet und rund zweitausend verletzt. Ein hohes Maß an Verantwortung für diese Kriegsverbrechen trage Palästinen-serchef Arafat.

Nun läuft alles darauf hinaus, daß Scharon auf jeden Fall in einer neuen Koalition mit den Orthodoxen das Land weiter führen wird. Die Umfragen sind günstig für ihn, dar-um legte er es auch auf Neuwahlen an. All das wußte Ben Eliezer. Dennoch riskierte er den Bruch. Und das nur wegen einer Handvoll Dollar für die Siedler? Es geht bei diesem Geld um mehr. Die Siedlerfrage gehört ähnlich wie die Jerusalemfrage zum Kernbereich des Nahost-Konflikts. Unter Scharon wurden die Siedlungen erheblich erweitert, sie liegen wie ein Ring aus Beton um Jerusalem, Stein gewordene Tatsachen des jüdischen Anspruchs auf Judäa und Samaria, wie die Orthodoxen das Gebiet nennen. Sicher, es war in einem Verteidigungskrieg besetzt worden. Aber darauf kommt es ihnen nicht an. Sie leiten ihre Ansprüche aus der Geschichte weit vor der Gründung des Staates Israel ab. Das berührt die Tiefenpsychologie des Religiösen, und deshalb geht diese Frage ans Eingemachte des Selbstverständnisses vieler Juden.

Scharon unterstützt die Siedler. Sein neues Kabinett steht im Geruch eines Kriegskabinetts. Ben Eliezer dagegen sah in der Siedlungsfrage Kompromißmöglichkeiten mit den Palästinensern. Die hätte man auch finden können, ohne die bestehenden Siedlungen aufzugeben. Es ging nur um weniger Subventionen, sprich um weniger neue Siedlungen. Damit hätte Israel auch außenpolitisch sein hier und da angekratztes Image etwas aufpolieren können, sogar in Europa. So aber zeigt diese Regierungskrise vor dem Hintergrund der offenbar nicht zu stoppenden Terrorattentate, wie unversöhnlich sich die feindlichen Brüder in Nahost gegenüberstehen. Mit Blick auf die Irak-Krise sind das keine guten Aussichten. Der Pulverdampf über der Region wird beißender. Maria Klausner
 
     
     
 
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