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Wie habt Ihr das bloß geschafft?", diese Frage mußten Marie-Elisabeth und Eberhard v. Redecker immer wieder beantworten, als sie Ende März ihre Gnadenhochzeit und damit 70 gemeinsame Ehejahre feierten. Und irgendwie fiel ihnen die Antwort gar nicht so leicht.
Mit einem Satz läßt sich die Erfolgsformel für derart außergewöhnlich beständige Zweisamkeit jedenfalls nicht erklären. Um 70 Jahre miteinander verheiratet zu sein, muß man zunächst einmal die entscheidende Voraussetzung erfüllen, überhaupt noch am Leben zu sein. Sowohl Eberhard v. Redecker mit seinen 97 Jahren als auch seiner vier Jahre jüngeren Frau ist dieses Glück in einer besonders beneidenswerten Form vergönnt. Körperlich und auch geistig sind beide noch rege, daß sie einen Lebensstil pflegen, der selbst bei weitaus Jüngeren nicht alltäglich ist.
Treu ihren landwirtschaftlichen Ursprüngen in der gemeinsamen ostdeutschen Heimat schwören sie noch heute auf Lebensmittel aus eigener Herstellung und ernähren sich dank ausgeprägter Gartenarbeit nach wie vor überwiegend als Selbstversorger. Und wenn den Winter über die "Nahrungsproduktion" in der Weinbergsiedlung ruht, wird dem Paar ebenfalls nicht langweilig. Es kümmert sich um seine große Familie, zu der unter anderem sieben Kinder, 13 Enkel und sieben Urenkel gehören. Er hingegen schweift in die Ferne und verbringt das Winterhalbjahr im sonnigen Südafrika.
"In Deutschland ist es mir zu kalt", sagt Eberhard v. Redecker, dessen Reiselust nicht zu den geringsten häuslichen Zerwürfnissen führt. Schließlich kam seine Frau, bis es ihr vor wenigen Jahren zu beschwerlich wurde, ebenfalls nach Südafrika. Bei Töchtern, die in Australien, Spanien und Italien leben, ist elterliche Mobilität zudem ohnehin fast schon eine Selbstverständlichkeit. Toleranz oder auch einfach die Weisheit, dem oder der anderen nicht gänzlich die eigenen Vorstellungen aufzwingen zu wollen, scheint also durchaus eine wichtige Voraussetzung für lange währendes Eheglück. Bereitschaft zum Streit gehört aber ebenfalls dazu, betonen die beiden. "Manchmal hat es schon gekracht, aber kräftig", sagt Marie-Elisabeth v. Redecker. Danach aber hat man sich ganz offenkundig immer wieder zusammengerauft. Und das nicht zuletzt deshalb, weil beide gelernt haben, zu verzeihen und zu vergessen. "Wenn man nachtragend ist, dann klappt das nicht auf Dauer", mein Eberhard v. Redecker.
Während die Kunst der Versöhnung erst in fortschreitenden Ehejahren gefragt ist, steht eine entscheidende Voraussetzung des stabilen Lebens zu zweit ganz am Anfang: die Bereitschaft, eine junge Liebe nicht von vornherein mit uneinlösbaren Glückerwartungen zu überfrachten. Eberhard v. Redecker jedenfalls ging diese Herzensangelegenheit vor mehr als 70 Jahre äußerst pragmatisch an. als auf dem elterlichen Hof seiner Zukünftigen eine Sau beim Abferkeln ihr Leben ließ, war sich die junge Marie-Elisabeth nicht zu schade, die Schweine-Babys mit der Flasche groß zu ziehen. "Wenn sie das macht, dann kann ich sie auch heiraten", dachte sich daraufhin der noch fast genauso junge Eberhard. Und hat sein wenig romantisches, doch um so tragfähigeres Urteil von damals nie bereut. mag |
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