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Zu einem bisher beispiellosen Vorgang kam es beim Straßburger Februarplenum des Europaparlamentes: Der Präsident des Außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok, lud den tschechischen Außenminister Cyril Svoboda zu einer Sondersitzung mit diesem für die EU-Osterweiterung zuständigen Gremium ein. Der Grund, den Brok dem tschechischen Spitzenpolitiker vorab mitteilte: Das Europaparlament wolle vor seiner endgültigen Abstimmung über den Beitritt der Tschechischen Republik im Frühling Klarheit über die tschechischen Reaktionen auf die Entschließungen der Straßburger Volksvertretung, vor allem zum Thema Benesch-Dekrete.
Diese waren dann auch Hauptthema der sehr intensiven Debatte und wurden unter anderem vom zuständigen Berichterstatter des Europaparlamentes, Jürgen Schröder, von der österreichischen Vorsitzenden des Gemischten Ausschusses Tschechisches Parlament - Europäisches Parlament, Ursula Stenzel, sowie von ihrem Stellvertreter, dem SL-Bundesvorsitzenden Bernd Posselt, thematisiert.
Schröder wies darauf hin, daß in der Tschechischen Republik stets auf die Zeit nach den jeweils nächsten Wahlen verwiesen werde; doch er wolle endlich wissen, wie Prag zu folgenden vier Punkten aus der letzten Resolution des Europaparlamentes stehe:
ob alle EU-Bürger nach einem Beitritt die gleichen Rechte in der Tschechischen Republik hätten,
ob alle in-absentia-Urteile gegen Sudetendeutsche und andere aufgehoben seien,
ob die Tschechische Republik mit dem Europaparlament übereinstimme, daß das sogenannte Straffreistellungsgesetz vom Standpunkt moderner Rechtsstaatlichkeit keine Existenzberechtigung habe,
welche politische Geste die Tschechische Republik nicht nur gegen-über den vertriebenen Sudetendeutschen, sondern gegenüber der ganzen EU plane.
Schröder: "Welche Lösung bieten Sie an?"
Svoboda gab auf keine dieser Fragen eine klare Antwort, was unter den Parlamentariern für Kritik sorgte.
Bernd Posselt wies ebenso wie Ursula Stenzel den Minister darauf hin, daß das Thema Vertreibung keineswegs nur Sache der Historiker sei, wie Prag ständig behaupte. So sei Präsidentschaftskandidat Petr Pithart erst jetzt heftig attackiert worden, weil er sich als Unterzeichner des Appells "Versöhnung 95" gegen die Vertreibung und für einen Dialog mit den Sudetendeutschen ausgesprochen habe. Das von jungen Tschechen über einem sudetendeutschen Massengrab im ostböhmischen Wekelsdorf errichtete "Kreuz der Versöhnung" sei geschändet worden, und keine offizielle tschechische Stelle habe dazu Stellung genommen.
Posselt wollte vom Minister wissen, ob sich die Prager Regierung nicht nur um die Roma, sondern auch um die vielen offenen Probleme der deutschen Volksgruppe kümmere und ob der Minister bei der bevorstehenden Sitzung des deutsch-tschechischen Gesprächsforums in München einen positiven Impuls setzen wolle. Svoboda berichtete von dementsprechenden Verhandlungen des zuständigen Vizepremiers Mares mit den Minderheitenvertretern und sprach sich für eine Verlängerung des Zukunftsfonds und des Gesprächsforums über 2007 hinaus aus, weil alle offenen Fragen im Dialog gelöst werden müßten.
Insgesamt hinterließ Svoboda in Straßburg mehr Fragen als Antworten. Die christdemokratische EVP-Fraktion wird daher im März eine Anhörung über die Rechtsgutachten zu den Benesch-Dekreten durchführen, bevor das Europaparlament dann im April endgültig über die Beitritte entscheidet. Sdp |
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