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Mehr als Wahlpropaganda?

 
     
 
Es bedurfte offensichtlich des sich abzeichnenden Finanzdebakels der öffentlichen Hand, um die Politiker der großen Parteien zum Umdenken hinsichtlich der Sozialhilfe zu bewegen. Sowohl die CDU, sie zunächst in der Person des hessischen Ministerpräsidenten Koch, als auch dann die SPD, hier war es der Vorsitzende von deren Grundsatzkommission, Scharping, traten an die Öffentlichkeit mit der Forderung, wer nicht arbeitswillig sei, müsse zumindest die Kürzung seiner Sozialhilfe hinnehmen.

Nach dem hessischen CDU-Konzept soll der volle Anspruch auf Sozialhilfe nur für diejenigen gelten, die von sich aus einen Nachweis von Arbeit, Weiterbildung
oder gemeinnütziger Tätigkeit erbringen. Scharping schränkt dagegen ein: Er will nur den jugendlichen Nichtstuern ans Leder. Sozialhilfeempfängern zwischen 18 und 25 Jahren sollen Arbeiten im kommunalen Umweltschutz, in der Alten- und Krankenpflege „angeboten“ werden. Wer die Arbeit nicht antritt, soll schließlich jegliche Unterstützung verlieren.

Dem Gedanken des Wohlfahrtsstaates, der in den Jahren der wachsenden Wirtschaft in Deutschland perfekt, manche sagen, zu perfekt ausgebaut worden ist, liegt die Idee zugrunde, jeder, der trotz guten Willens nicht mehr für sich selbst sorgen kann, habe ein Recht auf staatliche Versorgung. So formulierte es Bismarck, als er seine Sozialgesetzgebung begründete und dann auch für das Deutsche Reich als ersten Staat der Erde durchsetzte. Der Staat, so damals die allgemeine Grundanschauung, muß sich um soziale Gerechtigkeit bemühen.

Voraussetzung war allerdings von Anfang an, daß der gute Wille vorhanden sein muß, sich selbst zu versorgen. Wo der fehlt, da gilt das Wort von Johann Gottlieb Fichte: „Kein Mensch auf der Erde hat das Recht, seine Kräfte ungebraucht zu lassen und durch fremde Kräfte zu leben.“

Nun gilt seit geraumer Zeit in Deutschland als besonders clever, wer den Staat nach Strich und Faden ausnutzt. Man erinnert sich: Schon vor vielen Jahren gab es ein Taschenbuch, in dem angeleitet wurde, wie man, ohne selbst die Hand zur Arbeit zu rühren, von den verschiedenartigen und unübersichtlichen staatlichen Möglichkeiten der Finanzierung hervorragend leben kann. Das sprach sich in aller Welt herum - mit ein Grund, warum Deutschland das Land mit dem größten Zustrom von Ausländern ist, die keineswegs die Absicht hatten, hier zu arbeiten, sondern lediglich die Segnungen des deutschen Sozialsystems ausnutzen wollten.

Erschreckend die Bilder gerade von jungen Arbeitslosen, die entweder mangels intellektueller Fähigkeiten oder wegen fehlenden guten Willens nie gearbeitet haben, sondern sich durchlungerten und einen Grad an Verwahrlosung erreichten, daß sie kaum noch arbeitsfähig sind.

Es soll 400 000 arbeitslose Jugendliche geben. Unter ihnen sind mit Sicherheit viele, denen man immer wieder Arbeit angeboten hat, die aber dankend ablehnten, weil sie alle Tricks des Wohlfahrtsstaates beherrschten. Wenn es denen nun an den Kragen geht, können die Parteiführungen des Beifalls der Öffentlichkeit sicher sein. Ob es allerdings reicht, ihnen Arbeit „anzubieten“, wie es in den Verlautbarungen heißt, ist fraglich. Hier muß schon ein gewisser staatlicher Druck ausgeübt werden, der nicht nur darin bestehen kann, die Sozialhilfe zu kürzen oder sie zu streichen. Fällt sie fort, dann wird eben gelegentlich schwarz gearbeitet oder es wird Geld auf kriminellem Wege beschafft. Soll hier tatsächlich etwas erreicht werden, dann müßte ein Staat andere Mittel anwenden, zu denen diese Gesellschaft nicht bereit sein dürfte. Ob daher die Ankündigungen der CDU und SPD wirklich grundlegende Änderungen bewirken, ist zu bezweifeln.

Der Einwand, der bereits geäußert wurde, es gebe für solche jungen Leute keine Arbeitsplätze, kann nicht stichhaltig sein, ist doch erst kürzlich die große Zahl von Arbeitsplätzen, die nicht besetzt werden können, als Begründung für neue Einwanderungen ins Feld geführt worden. Möge man diese freien Arbeitsplätze jetzt füllen mit zur Arbeit veranlaßten bisher Arbeitsunwilligen. Ob das Ganze mehr ist als Wahlpropaganda - im September 2001 ist Bundestagswahl -, bleibt abzuwarten. Skepsis ist begründet. Dr. Hübner

 
     
     
 
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