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Militärisch akkurate Ablösung

 
     
 
Ungeachtet der massiven Unterstützung durch eine Reihe zentraler russischer Zeitungen gelang es dem nunmehr früheren Gouverneur des Kaliningradskaja Oblast (das Königsberger Gebiet), Leonid Gorbenko, nicht, die Wahlen in dieser russischen Enklave zu gewinnen. Beim zweiten Wahlgang am 19. November erhielt er nur 33,2 Prozent der Stimmen und blieb damit hinter dem Kommandierenden der Baltischen Flotte, Wladimir Jegorow, den 56,8 Prozent der Wähler unterstützten.

Unmittelbar nach Veröffentlichung
der Resultate verschwand Herr Gorbenko aus den Augen der Öffentlichkeit. Die einen sagen, er sei nach Moskau gereist, andere vermuten, er tröste sich mit Wodka …

Der Sieger verkündete bereits in der örtlichen Presse, daß er bereit sei, jederzeit die Macht im Bezirk von seinem Vorgänger zu übernehmen. Dabei unterstrich er besonders, daß er dies militärisch akkurat tun werde, also durch eine realistische Abrechnung mit Gorbenko hinsichtlich der Lage bei den Finanzen, in Industrie und Landwirtschaft der Enklave.

Eingeweihte verstehen sehr gut, daß Jegorow damit die Verantwortung für das, was der frühere Gouverneur getan oder unterlassen hat, ablehnt und dies bei der Machtübergabe offiziell begründen will. Es steht zu bezweifeln, daß dies für ihn leicht sein wird. Die Presse hat des öfteren über den vielfachen Mißbrauch von Beamten seiner Regierung berichtet. Am offensichtlichsten ist das Beispiel des 10-Millionen-US-Dollar-Kredits der Dresdner Bank, der gegen eine Garantie des Bezirksbudgets gegeben wurde. Bis heute gibt es keine Klarheit darüber, wer und für welche Zwecke diese Mittel ausgegeben hat.

Es wurden bereits einige Strafverfahren angestrengt. Im Zuge der Ermittlungen müssen sich der frühere Gouverneur, nunmehr ohne Immunität, sowie seine Mitstreiter gegenüber der örtlichen Staatsanwaltschaft verantworten.

Die Situation im Gebiet am Pregel ist nicht einfach. Es ist gut möglich, daß er bald schon von neuen Mitgliedern der EU umgeben sein wird, so daß sich alle äußeren ökonomischen Beziehungen neu gestalten werden.

Damit stehen vor Jegorow die keineswegs einfache Aufgabe, eine russische Region zu leiten, und eine noch viel schwerere – die Enklave darauf vorzubereiten, unter prinzipiell neuen Bedingungen zu existieren.

Einige Worte über den neuen Gouverneur: Ich bin nicht einverstanden mit der Meinung, Jegorow werde von der Gier nach Macht angetrieben und werde, sobald er sie errungen habe, seine Lage genießen. Macht hat er ohnehin – und genügend, denn als langjähriger Kommandierender der Baltischen Flotte hat er einen der höchsten Posten in der russischen Militärflotte.

Sich freiwillig selbst die Sorge um fast eine Million Bewohner der Enklave aufbürden und damit eine langjährige Karriere riskieren? Der Admiral hat diesen Schritt kaum aus eigenem Antrieb getan. Wenn man aber voraussetzt, daß Jegorow nach Absprache mit dem Kreml kandidierte, dann hat sein Sieg nur positive Bedeutung. Moskau unterstützt ihn nicht nur mit den Ressourcen des zentralen Budgets, sondern wird ihm auch mit großem Vertrauen bei der Anpassung der Ökonomie an die Normen der EU zu Seite stehen.

In den Artikeln einiger russischer und deutscher Journalisten war mehrfach zu lesen, daß der Sieg des Admirals automatisch eine Militarisierung der Enklave und den Ausbau zu einem unsinkbaren Flugzeugträger bedeute.

Ernsthafte Militärexperten aber, darunter deutsche, polnische und litauische, lassen solche Erwägungen nicht zu. Sie wissen zu gut, daß es heute im gesamten Oblast sehr viel weniger Militär gibt, als dies nach allen internationalen Verträgen erlaubt wäre. Mehr als das – die ständigen Inspektionen der Nato bestätigen diese Fakten.

Bei einer weiteren Abnahme der russischen Militärstreitkräfte ist nicht daran zu zweifeln, daß es demnächst noch weniger Militär in der Enklave geben wird. Das heißt natürlich nicht, daß sich Moskau freiwillig der Möglichkeit berauben wird, auch künftig auf Veränderungen der militärpolitischen Situation in Europa adäquat zu reagieren.

Wenn, beispielsweise, die Nato sich entscheidet, die baltischen Länder in ihre Reihen aufzunehmen, so wird Moskau gezwungen sein, adäquate Maßnahmen zu ergreifen, um die militärische Bedrohung zu senken. In einem solchen Fall würde die einzigartige Lage des Gebietes, so heißt es, entsprechend  genutzt.

Im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Gouverneurs hielt man in einigen europäischen Zeitungen die Gründung einer "vierten baltischen Republik" auf der "Grundlage des Kaliningrader Bezirks" mit entsprechender staatlicher Souveränität für notwendig. Man kann mit Gewißheit sagen, daß die Verfasser  Wunsch und Wirklichkeit verwechseln und die reale Lage nicht kennen. Davon kann sich jeder überzeugen, der mit den Bürgern des Gebiets spricht. Auf die Frage, wer sie sind, antworten sie: "Russen und Kaliningrader."

Wladimir Petrow ist Berliner Korrespondent der Königsberger Tageszeitung "Kaliningradskaja Prawda"

 
     
     
 
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