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Am 6. Mai hätte sie stattfinden sollen, die Einweihung des Friedhofs für die Nachkriegsopfer im Lager Lamsdorf. Das Programm stand fest, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, und sogar Ministerpräsident Buzek hatte seine Teilnahme zugesagt. Doch quasi über Nacht folgte eine Woche vor der Feier die bittere Überraschung: die Veranstalt ung wurde abgesagt.
"Der erste und wichtigste Grund dafür war die Nichteinhaltung der rechtmäßigen Prozedur, obwohl ich unterstreichen möchte, daß sich alle Seiten bemüht haben, den Vorschriften gerecht zu werden. Dafür reichte jedoch die Zeit nicht mehr aus.", so Dr. Danuta Berlinska, Beraterin des Oppelner Wojewoden in Minderheitenangelegenheiten, gegenüber der Zeitung "Unser Oberschlesien".
Seit Anfang des Jahres ist eine spezielle Kommission mit der Vorbereitung der Veranstaltung beauftragt. Sie setzt sich aus Vertretern des Wojewodschaftsamtes, des Marschallamtes, des Museums der Kriegsgefangenen des Lagers Lamsdorf, der Gemeinde Lamsdorf und des Verbandes deutscher Gesellschaften (VdG) zusammen. Pa-rallel besteht ein Wojewodschaftsausschuß, der als aufsichtsbehördliches Organ eingreifen kann.
Bereits im Februar 2001 war man sich in der Kommission über den Text der Inschriften des Gedenksteins einig sowie darüber, daß die Namen der mehr als 700 Opfer, die vom Mitarbeiter des Kriegsgefangenenmuseums Dr. Nowak zweifelsfrei festgestellt werden konnten, auf den Gedenktafeln eingemeißelt werden sollten. Darüber hinaus kam man überein, sich auch auf die Opferliste des Bundeslastenausgleichsarchivs Bayreuth zu stützen, die auf Antrag des Verbandes ehemaliger Lagerinsassen zusammengestellt worden war.
Diese Beschlußlage bildet den Hintergrund für folgenden Kritikpunkt Frau Berlinskas: "Die Ende März (bei der Kommission) eingetroffene Liste des Bundeslastenausgleichsarchivs wurde nicht als Projektänderung dem Rat zum Schutze des Andenkens an den Kampf und die Kriegsgreuel in Warschau zugeleitet. Von dieser Liste habe ich aus der Presse erfahren und diese sofort beanstandet. Am nächsten Tag ging ein Schreiben mit den Projektänderungen nach Warschau. Und dort hat man festgestellt, daß die Opferliste der deutschen Seite auf Zeugenerinnerungen beruht und laut deutsch-polnischer Regierungsvereinbarung verifiziert werden muß (...) und dafür reichte die Zeit nicht mehr aus."
Die Verantwortung dafür, daß die deutsche Opferliste nicht mit dem "Rat zum Schutz des Andenkens an den Kampf und die Kriegsgreuel" in Warschau abgesprochen wurde, will der VdG allerdings nicht auf sich abwälzen lassen. Geschäftsführer Joachim Niemann betonte, die deutsche Opferliste wäre für alle Beteiligten einzusehen gewesen. "Die Listen waren ja im Museum der Kriegsgefangenen des Lagers Lamsdorf; sie wurden dort geprüft und korrigiert.".
Dabei seien 65 Namen herausgestrichen wurden, die auch in Nowaks Auflistung vorkamen, so Niemann. Am 23. März habe dann das Vorbereitungskomitee die korrigierte Liste vorgelegt bekommen, ehe sie an den Steinmetz ging. Die Einbeziehung des Warschauer Rates wäre Aufgabe des Wojewodschaftsausschusses gewesen.
Die Tafeln mit den Opfernamen sind seit Ende April fertig. Viele Namen wurden in verschiedenen Varianten oder mit Fragezeichen bei den Vornamen in Stein gemeißelt. "So kann es aber nicht bleiben", monierte Danuta Berlinska. "Die Opfer des Lagers Lamsdorf verdienen es, daß man ihrer unter ihren richtigen Namen gedenkt. Deshalb sollte man die Schreibweise anhand von Kirchenbüchern oder Geburtsurkunden ermitteln, und auch das braucht Zeit."
Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus der kurzfristig in die Diskussion geworfenen Änderung in der Friedhofsbezeichnung. Da auf dem Gelände Gebeine exhumiert wurden, sollte der Ort als "Friedhof" statt nur als "symbolischer Friedhof" ausgewiesen und damit aufgewertet werden. Das wiederum hätte rechtliche Konsequenzen. Das Gelände müßte notariell vom Eigentümer, dem Lamsdorfer Forstamt, abgetreten werden, da eine Nutzungsumwidmung erfolgen würde auch dies ein zeitaufwendiges Verfahren.
Nicht zuletzt kamen Bedenken auf, in Lamsdorf seien auch Kriegsverbrecher festgehalten worden. Daher könne die Liste des Bundeslastenausgleichsarchivs entsprechende Namen beinhalten. Und auch die Nennung von erst unter den Nationalsozialisten eingeführten Ortsnamen auf den Gedenktafeln spielte eine Rolle. Diesbezüglich wurden bereits die Korrektur in die historische Form sowie polnische Ortsnamenszusätze für eine spätere Einweihung vereinbart.
Die Flut der späten Einwände hinterläßt den Eindruck, man sollte aus deutscher Sicht dankbar sein, daß quasi im letzten Moment eine seit Jahren eingeforderte Würdigung der Nachkriegsopfer des Lagers Lamsdorf wegen (vermeintlichen) Mängeln gestoppt wurde.
Wieso aber gewannen nach langjährigen Konsultationen mit schmerzlichen Kompromissen altbekannte, geklärt geglaubte Probleme plötzlich eine solche Sprengkraft? Hier liegt der Verdacht nahe, daß unter dem Deckmantel scheinbar logischer Argumente ganz andere, nämlich politische Erwägungen die Oberhand gewannen. Denn in diesem Jahr stehen Sejm-Wahlen an, und natürlich ringt man dabei auch um die Gunst der traditionell starken nationalistischen Wählerkreise.
Ein weitere Erklärung könnte in den Grabenkämpfen zwischen Wojewodschafts- und Marschallamt liegen. Seit der 1999 in Kraft getretenen Verwaltungsreform versuche beide immer wieder, ihre Vormachtstellung im neuen Staats-aufbau zu demonstrieren.
Abschließend ist auf jeden Fall festzustellen, daß ein langer Kampf um eine gute Sache (vorläufig) verlorenging, da andernorts ein "Bauernopfer" politisch geboten und vertretbar erschien. Auf einen neuen Einweihungstermin wird man nun wohl lange warten müssen.
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung in veränderter Form aus der Zeitung "Unser Obeschlesien" übernommen.
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