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Mit Deutsch aus der Krise

 
     
 
Klaus Böger besucht eine Schule im Wedding - das ist fast schon ein Klassiker. Berlins SPD-Schulsenator hat viele Baustellen zu bearbeiten. An der Erika-Mann-Grundschule und -Kindertagesstätte steht die Integration ausländischer Schüler im Mittelpunkt.

Der NDH-Anteil der 712 Schüler beträgt 85 Prozent. NDH steht für "nicht-deutscher Herkunft" und könnte zum Unwort des Jahres gewählt werden (falls es nicht "Public Viewing" wird). Der Begriff "NDH" hat Konjunktur, gerade unter Berliner Lehrern ist er zum geflügelten Wort geworden.

Zusammen mit Journalisten wird der Senator von Kita-Erzieherinnen herumgeführt. Die Kleinsten beim Deutsch-Lernen: Fünf- und Sechsjährige wählen eine Karte mit einer Zeichnung, zum Beispiel einem Fisch, einer Kanne oder einer Hand. Dann sollen sie ein Wort finden, daß sich darauf reimt. Es geht so gesittet zu wie an einem englischen Elite-Internat.

Hinterher die Grundschule. Hier bespricht eine Gruppe von Erstkläßlern das große Ereignis der kommenden Woche: der Besuch einer Badeanstalt
. Kaum eines der Kinder - egal, ob deutscher oder nichtdeutscher Herkunft - war jemals mit seinen Eltern schwimmen. Trotzdem ist die Schule eine Lehreinrichtung mit Vorbildcharakter. Böger lobt: "Deutsche Eltern fühlen sich hier wohl. Es findet keine Flucht mehr statt, sobald die Kinder schulpflichtig werden." Deshalb wehrt er auch Vorschläge ab, deutsche Kinder zwangsweise in Schulen mit hohem Ausländeranteil zu verpflanzen, um eine bessere Durchmischung zu erzielen. Im frisch renovierten Pausenraum stellt Böger klar: "Ich bin strikt gegen das Hin- und Herfahren von Schülern. Das geht rechtlich nicht, und es hilft auch in der Sache nichts."

Dafür ist er aber ein Befürworter von Deutsch als Pflichtsprache auf dem Schulgelände. Vor kurzem noch unvorstellbar - doch selbst Sozialdemokraten wie Klaus Böger wissen, daß alles aus dem Ruder läuft, wenn Migrantenkinder sogar in der Schule nur noch Arabisch oder Türkisch miteinander reden. "Schülerinnen und Schüler, die erkannt haben, daß sie nur dann eine Chance auf einen guten Schulabschluß, auf einen Ausbildungsplatz und schließlich auf einen Job mit einem Leben auf eigenen Füßen haben, wenn sie die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen, werden sich selbst ganz aktiv darum bemühen", erklärte er im Interview mit der SPD-Parteipostille "Vorwärts" seinen Genossen. Was war das noch für eine Aufregung, als bekannt wurde, daß an der Hoover-Schule (90 Prozent NDH) nur noch deutsch gesprochen werden soll? Jetzt wird die Schule für ihre Hausordnung und der darin enthaltenen Selbstverpflichtung aller, auch auf dem Schulhof, in den Gängen und überhaupt auf dem gesamten Schulgelände nur noch deutsch zu sprechen, mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet, der mit 75000 Euro dotiert ist.

Dabei war die Lage der Schule alles andere als rosig, als im März 2005 die Änderung der Hausordnung beschlossen wurde, von der wohl keiner geahnt hat, was sie an Schlagzeilen produzieren würde. Damals sank die Zahl der Anmeldungen. Die "Hoover" hatte einen schlechten Ruf. Gewalt war an der Tagesordnung.

In der neuen Hausordnung - einstimmig von Schülern, Lehrern und Eltern beschlossen - heißt es wörtlich: "Die Schulsprache unserer Schule ist Deutsch, die Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland. Jeder Schüler ist verpflichtet, sich im Geltungsbereich der Hausordnung nur in dieser Sprache zu verständigen."

Der Schülersprecher, ein Pakistani namens Asad Suleman, der in Windeseile zum gefragten Talkshowgast aufstieg, wiederholte es immer wieder: "Wir wurden nicht gezwungen. Wir wollen selber gerne deutsch sprechen."

"Die Initiative der Herbert-Hoover-Schule ist nach Überzeugung der Deutschen Nationalstiftung dafür beispielgebend, in eigener Verantwortung Sprachprobleme pragmatisch anzugehen, die sich aus der wachsenden Zahl von Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache ergeben", heißt es in der Begründung der Stiftung für die Preisvergabe. Die Ergebnisse können sich in der Tat sehen lassen: Die Gewalt ging zurück, das Mißtrauen auch. Dafür stiegen die Leistungen und die Anmeldezahlen.

Die Erika-Mann-Grundschule ist noch nicht ganz so weit wie die Herbert-Hoover-Schuler. Aber auch hier werden die Eltern von Ausländerkindern gezielt auf die Leistungen ihrer Sprößlinge angesprochen.

Nicht immer mit Erfolg. Die Leiterin der Schule Karin Babbe berichtet nach der Pressekonferenz des Senators über Schulverweigerer, Lernbehinderte und andere Einzelschicksale. Sie hatte mal einen Schüler namens Ibrahim. Mutter Araberin, Vater Türke. Bald nach der Geburt kam das Kind zu den Großeltern in die Türkei. Dort lernte es aber nicht das "normale" Türkisch, sondern eine Art provinzielle Unterschichten-Version. Als Ibrahim nach Deutschland zurückkehrte, verstand er nicht nur in der Schule kein Wort. Er verstand nicht einmal mehr die eigene Mutter.

Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) besucht eine Kindertagesstätte in Wedding: Die Kinder, zu einem Großteil "nicht-deutscher Herkunft", zeigen dem Politiker und der anwesenden Presse stolz, daß sie inzwischen sogar in deutscher Sprache reimen können.
 
     
     
 
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