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Königin Luise von Preußen ist unbezweifelbar eine der größten weiblichen Lichtgestalten der deutschen Geschichte. Über sie wurden schon zahlreiche Bücher geschrieben, in denen ihr Leben, aber auch um sie rankende Legenden wiedergegeben wurden. Was aber ist wahr, was im Laufe der Jahrhunderte im Zuge von Bewunderung entstanden? Johannes Thiele hatte den Ehrgeiz, eine Biographie über die Gemahlin König Friedrich Wilhelms III. von Preußen zu verfassen, wobei er sich fest vornahm, nicht der Verherrlichung dieser Frauengestalt zu verfallen.
Die vor einigen Jahren erschienene Luise-Biographie von Günter de Bruyn war von Kritikern wie Lesepublikum begeistert angenommen und bewertet worden, und eigentlich dürfte man annehmen, daß allmählich nichts Entscheidendes mehr über die vielgeliebte Königin zu sagen sei, doch Johannes Thiele belegt, daß dem nicht so ist. Seine "Luise - Königin von Preußen" umfaßt 624 Seiten, also viermal so viele wie de Bruyns Werk, und ist auch noch durchgehend fesselnd geschrieben.
Der Autor zeichnet eindringlich ein Bild von dem jungen, lebensfrohen Mädchen Luise, das mit dem kühlen und ziemlich spröden Friedrich Wilhelm III . verheiratet wird. Der lasterhafte Hof unter der Führung von Friedrich Wilhelm II. mit seinen vielen Mätressen bedrückt das Naturkind. Sie sehnt sich nach ihrem Vater und ihren Geschwistern. Ihre Einsamkeit verdrängt sie, indem sie auf vielen Bällen vergnügungssüchtig nächtelang durchtanzt, woraufhin sie sich nicht ganz unbegründet den Vorwurf der Oberflächlichkeit gefallen lassen muß. Doch mit den Jahren wandelt sich Luise zur guten Ehefrau und Mutter, die durch ihre menschlichen Gesten zum Vorbild ihrer Zeit avanciert. Sie entwickelt Bildungshunger und beginnt sich für die Geschicke ihres Landes zu interessieren. Besonders während der Befreiungskriege setzt sich Luise für ihr Land und dessen Bewohner ein und erlangt dadurch auch die Anerkennung ihrer Untertanen.
Diese neue Biographie ist mitreißend, da der Verfasser ständig aus Briefen und Tagebüchern der Zeitgenossen zitiert, wobei er niemals den Lesefluß gefährdet. Selten hat ein Autor Zitate mit solch einer Leichtigkeit in seine eigenen Ausführungen integriert. Die dadurch entstandene Atmosphäre kommt einer Zeitreise gleich. Die zahlreichen im Buch enthaltenen Zeichnungen vertiefen das Leseerlebnis.
"Zuallererst muß ich Euch sagen, daß ich während der ganzen letzten Nacht kein Auge zugemacht habe, da mich fünf Flöhe gleichzeitig stachen", schreibt das junge Mädchen Luise übermütig. Die erwachsene Preußenkönigin hingegen beweist in dem Brief an ihren Vater während der Angriffe Napoleons auf ihr Land, daß sie durchaus Weitblick besitzt. "Es wird immer klarer, daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich des Großen, der, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit der selben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns." Die Entwicklung der Luise wird durch die historischen Dokumente nachvollziehbar, und sie wächst dem Leser zudem ans Herz. So auch Johannes Thiele, dem es nicht gelingt, den Mythos Luise zu entzaubern, da er feststellen mußte, daß es sich bei Luise bewiesenermaßen um eine der beeindruckendsten Frauen in der deutschen Geschichte handelte. Fritz Hegelmann
Johannes Thiele: "Luise - Königin von Preußen", List, München 2003, geb., zahlr. Abb., 624 Seiten, 24,80 Euro |
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