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Die Euro-Währung fällt beinahe täglich im Kurs, und die Bürger, wenn sie nicht gerade Urlaub in USA machen, merken nichts davon. Das erklärt die Gelassenheit, mit der die Deutschen bisher auf den dramatischen Verfall der europäischen Gemeinschaftswährung reagieren. Dabei hat bereits eine Geldvernichtung ohnegleichen stattgefunden: Angenommen, die Deutsch hätten ihr gesamtes Erspartes (das sind rund vier Billionen Mark) vor eineinhalb Jahren in amerikanische Dollar umgetauscht. Dann hätten sie dafür rund drei Billionen Dollar bekommen. Würden sie jetzt die Flucht aus der Mark (beziehungsweise dem Euro) antreten, bekämen sie nur noch 1,9 Billionen Dollar.
Aber es hat niemand umgetauscht, dürfte an dieser Stelle eingewandt werden. Doch das ist falsch. Täglich findet ein milliarden schwerer Geldwechsel an den internationalen Börsen statt. Und da die professionellen Anleger mehr Euro-Währungen verkaufen als kaufen, fällt der Kurs.
Die Öffentlichkeit wird derweil mit wohlfeilen Erklärungen bei Laune gehalten. Er verstehe die Sorgen der Bürger um den Wert ihrer Währung, schrieb der Präsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, in einem für eine Zentralbank ungewöhnlichen Aufruf an die Öffentlichkeit. Duisenberg verspricht: "Die europäischen Bürger können sicher sein, daß die Zukunft des Euro die Zukunft einer starken Währung ist." Die Stärke basiere auf stabilen Preisen und der Kraft der europäischen Wirtschaft.
Die Beruhigungspillen der Europa-Funktionäre haben Tradition. Vor knapp einem Jahr, der Euro war schon voll auf Talfahrt, erklärte der (damals designierte) Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi: "Ich bin mir sicher, daß wir uns in einigen Monaten über einen zu starken Euro beklagen werden." Und der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, der von der Bundesbank kommende Otmar Issing, bezeichnete Warnungen vor einer Entwertung des Euro als "Ausdruck von Ahnungslosigkeit oder politische Rattenfängerei". Die Devisenmärkte widerlegten den Chef der EU-Kommission und den Zentralbanker ebenso wie zum Beispiel den Chefvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm, der im Juni letzten Jahres glaubte, der Euro werde in einem Jahr (also etwa jetzt) bei 1,22 Dollar notieren. Tatsächlich liegt der Euro derzeit bei etwa 0,90 Dollar.
In anderen europäischen Ländern spielt die Diskussion um den Wert der Währung eine noch geringere Rolle als in Deutschland. Für Frankreich ist entscheidend, die Vorherrschaft der Mark in Europa gebrochen zu haben. Die Abwärtsbewegungen der eigenen Währungen haben in Ländern wie Frankreich und Italien, aber auch auf der iberischen Halbinsel, Tradition. Mit der mit der Abwertung einhergehenden Verbilligung der eigenen Exporte spart man sich Modernisierungen und Rationalisierungen der nationalen Industrien. Die höheren Importpreise lassen weniger Geld für Luxusartikel ins Ausland fließen. Auch die auf die Abwertung folgenden Preiserhöhungen im Inland sehen südeuropäische Regierungen eher positiv: Die Inflation erleichtert es, Zinsen für die galoppierenden Staatsschulden zu bedienen. Nicht ohne Grund erklärte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, der Euro spreche inzwischen italienisch.
Schon Duisenbergs Erklärung macht deutlich, wo die Gefahren der Zukunft liegen. Wenn der EZB-Präsident davon spricht, die Stärke des Euro basieren auf stabilen Preisen und der Kraft der Wirtschaft, so sind die beiden wichtigsten Punkte genannt: Das Sinken des Euro-Außenwertes wird nach einer gewissen Zeit die Preisspirale in Europa in Gang setzen und zu einem Anstieg von Preisen und Zinsen führen. Damit erlahmt auch die Konjunktur, obwohl Europa mit seinen niedrigen Wachstumsraten schon heute mit den USA nicht mithalten kann. Damit könnte der Euro in einen Teufelskreis aus Abwertung und Inflation geraten. Und eine europäische Zentralregierung, die diese Entwicklung stoppen könnte, gibt es nicht.
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