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Das Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung läßt sich durch eine Kombination aus einer beitragsbezogenen und einer an die Zahl der eigenen Kinder gekoppelten Rente demographisch festmachen. Ein entsprechendes Modell hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vorgestellt. Denn aufgrund der demographischen Entwick-lung müssen immer weniger Kinder sowohl die eigenen Eltern als auch die Kinderlosen im Alter versorgen. Das ist mit dem bisherigen Verfahren finanziell nicht mehr zu schultern. Der Umstieg auf die teils kinderabhängige Rente macht das Umlageverfahren nicht zuletzt deshalb unabhängig von der Demographie , weil dann Ansprüche überwiegend in dem Umfang entstehen, wie in der Vergangenheit für Nachwuchs gesorgt wurde.
Die gesetzliche Altersrente steht auf tönernen Füßen - denn aufgrund der längeren Lebenserwartung und der niedrigen Geburtenraten müssen immer weniger Erwerbspersonen immer mehr Senioren versorgen: Die Frauen des Geburtsjahrgangs 1940 bekamen noch durchschnittlich zwei, die 1965 geborenen aber lediglich 1,5 Kinder. Die Eltern des Jahrgangs 1940 sind heute im Ruhestand. Ihr Nachwuchs steht im Berufsleben und zahlt Rentenbeiträge, aus denen Vaters und Mutters Rente ebenso finanziert wird wie die der vergleichsweise wenigen Kinderlosen. Wenn die Eltern des Jahrgangs 1965 im Jahr 2030 in Rente gehen, müssen im Verhältnis ein Viertel weniger Kinder für ihre Rente aufkommen.
Weil die Ruhegelder aus den laufenden Einnahmen, also per Umlageverfahren finanziert werden, scheint es bisher nur drei Auswege aus dieser Demographiefalle zu geben: Entweder steigen die Beitragssätze, oder das Rentenniveau sinkt. Oder man entscheidet sich wie die Bundesregierung für eine Kombination aus beidem. Danach soll das Bruttorentenniveau - die Standard-rente vor Steuern und Sozialabgaben bezogen auf das durchschnittliche Bruttogehalt - bis zum Jahr 2030 von aktuell 48 auf 40 Prozent sinken. Der Beitragssatz soll dadurch nur moderat steigen - von derzeit 19,5 auf maximal 22 Prozent. Als Beitragsbremse fungiert vor allem der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor: Verschlechtert sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern, steigen die Renten nicht so stark wie die Einkommen der Erwerbstätigen. Damit können zwar die Rentenbeiträge einigermaßen in Schach gehalten werden.
Aber auch Familien mit Kindern müssen die Suppe auslöffeln, die ihnen andere durch Kinderlosigkeit eingebrockt haben. Schließlich sorgen Eltern für den Nachwuchs, der die Rentenbeiträge zahlt, wenn sie selbst in den Ruhestand wechseln. Derzeit werden sie aber für die Kinderarmut anderer mit einem niedrigeren Rentenniveau bestraft. Das trifft zwar auch die Kinderlosen. Diese tragen aber weniger Erziehungskosten und können so leichter Kapital zur ergänzenden Vorsorge ansparen. Das Umlageverfahren funktioniert nur mit drei Generationen - Kindern, Erwerbstätigen und Ruheständlern. Dabei müssen die Jahrgänge im Erwerbsalter zwei Seiten bedienen: Sie zahlen in die Rentenversicherung ein, um die Elterngenerationen zu versorgen. Und sie investieren Geld und Zeit in den Nachwuchs, der in Zukunft, wenn sie selber auf dem Altenteil sitzen, die Altersversorgung garantiert. Dabei sind Paare mit Kindern keine Randerscheinung. Jede dritte Frau hat nach wie vor zwei Kinder, jede fünfte Frau drei und mehr Sprößlinge. Allerdings wächst der Anteil der kinderlosen Frauen, weil vielen Paaren schon ein Racker zu viel Arbeit macht, Geld kostet, die private Karriereplanung durcheinanderbringt und - letztlich - für die Höhe der späteren Rente so gut wie keine Rolle spielt. Daran muß sich etwas ändern, wenn die Rente auch in Zukunft sicher sein soll: Wer keine Kinder erzieht, hat gegenüber zukünftigen Beitragszahlergenerationen auch keinen vollen Rentenanspruch - sondern nur in der Höhe, in der er sich indirekt an den Kindererziehungskosten anderer beteiligt hat. Das sind nach den Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft 45 Prozent. So werden Schulen und Hochschulen zum Beispiel durch Steuern finanziert, die auch Kinderlose zahlen. Dazu kommt, daß Singles in eine höhere Steuerklasse eingeordnet sind. Umgekehrt heißt das: 55 Prozent der Kosten, die mit dem Großziehen von Kindern verbunden sind, werden von den Familien privat geschultert - dabei sind staatliche Vergünstigungen wie Kindergeld oder Ehegattensplitting bereits berücksichtigt. Übertragen auf das vom IW Köln vorgeschlagene Rentenmodell heißt das: Rund 45 Prozent der Renten werden künftig beitragsbezogen ausgeschüttet und 55 Prozent in Abhängigkeit von der individuellen Kinderzahl. Was das in Euro und Cent bedeutet, verdeutlicht eine Modellrechnung bezogen auf die Durchschnittsrente des Jahres 2003; das waren damals 954 Euro im Monat. Dabei wurden sowohl die Alters- als auch die Witwen- und die Erwerbsunfähigkeitsrenten berücksichtigt. Nach dem IW-Modell hätte ein Durchschnittsrentner im Jahr 2003 mit seinen Beiträgen einen Rentenanspruch in Höhe von 429 Euro (45 Prozent) erworben. Bleiben 525 Euro (55 Prozent), die bei durchschnittlich 2,16 Kindern gezahlt werden - pro Kind also 243 Euro.
Anders als heute hängt die Höhe der eigenen Rente nicht mehr nur von den Einzahlungen in der Vergangenheit ab, aus denen die Elterngeneration versorgt worden ist (zwei Generationen). Sondern es zählt eben auch die Anzahl der eigenen Kinder, sprich der zukünftigen Beitragszahler (drei Generationen). Die kinderabhängige Rente löst - neben der Gerechtigkeitsfrage - auch ein weiteres Grundproblem der Rentenkasse: die mit den zunehmenden Rentnerzahlen steigenden Ausgaben. Selbst mit Nachhaltigkeitsfaktor würden die Ausgaben der Rentenkassen für die Rentner des Jahres 2030 preisbereinigt auf über 273 Milliarden Euro steigen; knapp 50 Milliarden mehr als heute. Im Drei-Generationenmodell ergibt sich dagegen eine merklich geringere Belastung, weil mit der niedrigeren Kinderzahl zukünftiger Rentnergenerationen auch die Rentenansprüche nicht so stark zulegen. Läßt man Rentenanpassungen außen vor, bedeuten im Jahr 2030 durchschnittlich 1,63 Kinder je Frau und 243 Euro Kinderrente je Sprößling pro Rentner eben durchschnittlich nur 396 Euro kinderabhängige Rente, und nicht wie heutzutage 525 Euro. Hinzu kommt, daß auch die beitragsbezogene Rente niedriger ist. Denn die Geburtenrate des Rentnerjahrgangs 2030 ist um ein Viertel niedriger als die der heutigen Rentenbezieher - also waren auch die aus Steuermitteln finanzierten Ausgaben für Schulen und ähnliches um den gleichen Faktor geringer. Entsprechend wird die beitragsbezogene Rente gekürzt, die im IW-Modell an den steuerfinanzierten Kindererziehungskosten festgemacht wird. Die Folge: Obwohl die Zahl der Rentner bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent ansteigt, klettern die Ausgaben der Rentenversicherung "nur" um 5 Prozent. Auch langfristig hat das Modell seinen Charme: Wer heute ins heiratsfähige Alter kommt und in den Beruf einsteigt, der wird sich mit der gesetzlichen Rentenversicherung auch im Jahr 2050 kaum schlechter stellen als heute - sofern er mindestens zwei Kinder großzieht. Kinderlose und Eltern mit nur einem Kind müssen dagegen privat Geld fürs Alter ansparen und werden damit ebenso wie die Eltern von zwei Seiten in die Pflicht genommen. iwd |
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