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Nach der Wahl ist vor der Wahl - dieser Kalauer beschreibt recht genau, was Deutschland in den nächsten zweieinhalb Jahren zu erwarten hat: permanenten Wahlkampf und politischen Stillstand. Die Bürgerschaftswahl in Hamburg mit dem spektakulären Sieg des CDU-Vormannes Ole von Beust war der Auftakt einer beispiellosen Serie; allein in diesem Jahr stehen noch 13 weitere Wahlen an.
Das Ergebnis von Hamburg bestätigte: Schröder und Müntefering versuchen, gegen eine überwältigend e Mehrheit des Volkes anzuregieren. Und das werden sie nicht allzulange durchhalten. Die Parolen, mit denen sie sich Mut machen - "Die Reformen haben ihre segensreiche Wirkung noch nicht entfalten können"; "Die Bürger haben unsere Politik noch nicht richtig verstanden" -, dies alles verliert von Wahl zu Wahl an Überzeugungskraft.
So sitzt der Kanzler in der Falle. Wenn er unter dem Druck weiterer Wahldebakel seine Politik radikal ändert, bedeutet das die dramatischste politische Bankrotterklärung in der Geschichte dieser Republik. Wenn er Neuwahlen ansteuert, um ein Mandat für die Fortsetzung der Reformpolitik zu holen, muß er damit rechnen, seine Partei für lange Zeit auf die Oppositionsbank und sich selbst in den Vorruhestand zu schicken. Und wenn er den Grünen die Koalitionstreue aufkündigt, um sich für unpopuläre Maßnahmen eine breite parlamentarische Basis zu sichern, würde der Kanzler einer großen Koalition nicht Schröder heißen; denkbar wären Müntefering oder Scherf, unter den Spitzengenossen derzeit der fähigste und sympathischste.
Als Machtmensch wird Schröder also möglichst lange das tun, was ihm am wenigsten gefährlich erscheint: gar nichts. Selbst außenpolitisches Wildern in Fischers Garten taugt nicht mehr als Ablenkungsmanöver: In Hamburg jedenfalls hat sich niemand davon beeindrucken lassen, daß der amerikanische Präsident neuerdings wieder über deutsche Kanzlerwitze lacht.
Wie lange sich die neue SPD-Doppelspitze so noch durchwursteln kann ("Wir gehen davon aus, daß bei der nächsten Wahl alles besser wird"), hängt auch vom Erscheinungsbild der Opposition ab. Da aber hatte Hamburg nur begrenzt Signalwirkung: Ole von Beust hat diese Wahl fast im Alleingang gewonnen; eigentlich konnte er sie auch gar nicht verlieren. Ähnlich wie kurz zuvor der Sozialdemokrat Henning Scherf in Bremen verstand er es, sich als glaubwürdiger Sympathieträger zu präsentieren. Auch stellte er seine persönliche Lebensgestaltung nicht so plakativ und dogmatisch in den Vordergrund wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ("... und das ist gut so"). Zudem überzeugte von Beusts Argument: "Wir haben gute Arbeit geleistet, aber die Zeit war zu kurz; gebt uns eine zweite Chance, zu zeigen, was wir können!"
Was dann vielleicht noch an der absoluten Mandatsmehrheit fehlte, besorgten Schröder & Co.: Hamburgs Übergangs-Spitzengenosse Thomas Mirow bekam von den eigenen "Parteifreunden" und deren Koalitionspartner in Berlin so kräftigen Gegenwind, daß es eines politischen Gegners eigentlich nicht bedurfte, um mit Pauken und Trompeten zu verlieren.
Doch lassen sich die Hamburger Verhältnisse nicht einfach auf den Bund übertragen. Auf dieser Ebene hat die Union bislang weder einen in den eigenen Reihen unumstrittenen Spitzenkandidaten noch ein wirklich überzeugendes Konzept für den Fall einer Regierungsübernahme oder -beteiligung. Die eklatante Schwäche der rot-grünen Bundesregierung erwies sich zwar bei der Hamburg-Wahl als hilfreich. Darauf allein aber sollte man sich nicht verlassen: Wer den Anspruch erhebt, dieses Land besser regieren zu können, muß von vornherein Besseres zu bieten haben - inhaltlich und personell. |
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